Peter Pan und unsere Zeit

Die Erzählung von Peter Pan ist ein leider treffendes Beispiel für unsere Zeit. Ein Aufruf.

Peter Pan ist die klassische Geschichte eines Jungen, der nicht erwachsen werden will. Er braucht immer Spass – es darf nur keine Langeweile aufkommen. Droht diese aber einmal doch, dann wird schnell die Szene gewechselt und kurz ein Ausflug ins Weltall angehängt. Das Modell «Peter Pan» scheint heute auch der Trend in unserer Gesellschaft zu sein. Man will nicht mehr erwachsen werden. Vielleicht ist Ihnen auch Mr. Bean bekannt, der tollpatschige Engländer, der von einem Missgeschick in das andere stolpert. Auch er hat seine Kindheit noch immer nicht abgestreift – selbst sein Teddybär begleitet ihn durch all seine Abenteuer. Wieder andere gleichen dem mumifizierten Michael Jackson. Dieser tat alles, um nicht erwachsen werden zu müssen. Doch woran liegt dieses krampfhafte Festhalten-Wollen an der ewigen Jugend? Dieses nicht Erwachsen-Werden-Wollen? 

In Südamerika, wo wir einige Jahre lebten, machten wir folgende Beobachtung: Die junge Generation musste schon sehr früh, von Kindesalter an, Verantwortung übernehmen. Da war beispielsweise eine Familie, deren zahlreiche Kinder auf eine bessere Schulbildung verzichten mussten, um damit dem Ältesten einen höheren Abschluss zu ermöglichen. Die ganze Familie musste mithelfen, um die finanzielle Absicherung zu garantieren. In einem anderen Land (in dem es Christen nicht einfach haben) muss sich die junge Generation klar entscheiden: Will ich Christ sein – mit allen Konsequenzen – oder lasse ich es bleiben? Auch sie muss schon sehr früh Verantwortung übernehmen. Wir hingegen in unseren Breitengraden gleichen eher Peter Pan, dem Jungen, der nicht erwachsen werden will. Warum auch? Wir haben alles, kennen keine Not und leiden keine Verfolgung. Ausserdem müssen wir auf kein konkretes Ziel hinarbeiten. Selbst der Student kann sein Semester wiederholen, kann zum «ewigen Studenten» werden. Man wird nicht erwachsen! Doch was bedeutet «erwachsen werden» überhaupt? Ich glaube vor allem eines: Verantwortung zu übernehmen. Verantwortung für sich selbst, seine Familie, sein Geschäft, seine Umgebung, die Gesellschaft.

Leider ist die beschriebene Entwicklung auch unter Christen feststellbar. Wie viele von uns gleichen Peter Pan auf seiner Reise ins «Nimmerland». Das Ziel ihres Lebens ist Spass, Action und noch mal Fun! Wenn diesen Menschen dann einmal etwas gegen den Strich geht, machen sie es wie Peter Pan: Sie wechseln schnell die Szene und tauchen ab in eine andere Welt. Es ist die Welt des Vergessens; der Musik, des Films und des Internets. Die Welt der Fiktion, des Scheins; eine Traumwelt à la Hollywood, denn man will keine Verantwortung übernehmen. Man will nicht erwachsen werden. Sich dem Leben nicht stellen. Doch gerade dazu sind wir Christen aufgefordert! Die Bibel sagt, dass jeder Einzelne von uns Verantwortungsträger ist. Und das in vieler Hinsicht: in Bezug auf seinen Körper (Röm 12,1), auf seine Zeit (Eph 5,16), sein Reden (Mt 12,36), sein Denken (2.Kor 10,5), seine Familie (Eph 6,1-4), sein Land und die Regierung (Röm 13,1-7), den Auftrag Gottes, die Mission (Mt 28,19) und Seine Gemeinde (Apg 20,28; Hebr 10,25). Gott verfolgt damit ein klar festgelegtes Ziel. Über dieses heisst es in Galater 4,19: «Damit Christus in uns [Gemeinde, Familie usw.] Gestalt gewinne!»

Wie wenig jedoch wird diese Verantwortung, die Gott uns auferlegt hat, wahrgenommen! Ich glaube, eine der möglichen Ursachen liegt darin, dass unsere Gesellschaft und damit auch wir selbst (auch wir Christen) Verantwortung delegiert hat. Kennen wir nicht alle die Ausrede (dies ist delegierte Verantwortlichkeit): «Da kann ich doch nichts für! Ich bin nun mal so.» Die Erziehung, das Elternhaus, das soziale Umfeld, das jugendliche Alter – alle sind schuld. Nur ich nicht! Ein solches Verhalten ist nichts anderes als delegierte Verantwortlichkeit. Mit anderen Worten: Man will nicht erwachsen werden! Wie anders zeigt es uns die Bibel, in Römer 14,12: «So wird nun jeder von uns für sich selbst Gott Rechenschaft geben.» Vor Gott ist jeder Einzelne von uns verantwortlich. In Lukas 2,42 wird uns berichtet, wie Jesus im Alter von 12 Jahren mitgenommen wurde, um in Jerusalem das Passah zu feiern. Dieses Ereignis zeigt uns, wie Joseph und Maria (wie im orthodoxen Judentum üblich) Jesus von Kindesbeinen an lehrten, seine Verantwortlichkeit gegenüber dem Gesetz wahrzunehmen. Im Judentum feiert ein Junge mit 13 Jahren seine Bar-Mitzwa. Damit streift er seine Kindheit ab und tritt ein ins Erwachsenenalter. Er ist damit dem Gesetz gegenüber voll verantwortlich: Er ist erwachsen. Für uns soll dies ein Hinweis sein, unsere Kinder, die Jugend unserer Gemeinde, ja alle uns anvertrauten Personen von frühester Kindheit an daran zu gewöhnen, Verantwortung zu übernehmen und verantwortlich zu leben. Vor Gott, dem eigenen Leben, der Familie, der Gemeinde und auch vor der Gesellschaft. Denn unser Leben soll etwas sein und werden zur Verherrlichung Gottes. Möge uns der Herr dabei viel Gnade geben!

Samuel Rindlisbacher ist Mitarbeiter und Verkündiger des Mitternachtsruf. Seine theologische Ausbildung absolvierte er in Südamerika. Er war massgeblich am Aufbau der grossen Jugendarbeit der Gemeinde Mitternachtsruf beteiligt.
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