Marias Vorbild und die prophetische Bedeutung des Magnifikats Teil 2

«Denn bei Gott ist kein Ding unmöglich.» Das erfuhr Maria, die Mutter unseres Herrn, auf eindrückliche Weise. Ihre Haltung kann uns heute vieles lehren und ihr Lobpreis zur Ehre des Herrn offenbart punktgenau den Heilsplan unseres unvergleichlichen Retter-Gottes.

Jeder Mensch möchte wahre Freude haben. Wo findet man eine Freude, die nicht nur die Seele berührt, sondern auch den Geist; eine Freude, die tragfähig ist, die selbst im Leid Bestand hat? Maria nennt Gott ihren Retter (Heiland); sie hat also eine persönliche Beziehung zu Ihm. Das ist es, was den Glauben ausmacht und Freude bringt. Glaube bedeutet eine Beziehung eingehen: «Ich glaube an Dich, Herr.» Glaube ist nicht etwas Hohles, etwas Unsicheres oder Distanziertes, nicht etwas Gefühlloses oder Kaltes, sondern etwas, das mich mit Gott verbindet und in Ihm verankert, etwas, das mich Ihn erfahren lässt. Und wenn ich mit Ihm in Verbindung stehe, dann habe ich Freude. Im Geist kann ich eine Freude haben, die nicht unbedingt seelisch spürbar sein muss. Doch meine Seele macht den Herrn gross, «weil er Grosses an mir getan hat» (V 49). Ich habe etwas, woran ich mich erfreuen kann, etwas, das für Seele und Geist erfahrbar ist.

Der Grund für Marias Lob: «… dass er angesehen hat die Niedrigkeit seiner Magd; denn siehe, von nun an werden mich glückselig preisen alle Geschlechter! Denn grosse Dinge hat der Mächtige an mir getan, und heilig ist sein Name» (Lk 1,48–49). Die Elberfelder Bibel sagt es so: «Er hat hingeblickt auf die Niedrigkeit seiner Magd», und die Wuppertaler-Studienbibel so: «Er hat heruntergeblickt auf die Niedrigkeit seiner Sklavin.»

Maria besass ein tiefes Bewusstsein ihrer Niedrigkeit und Unwürdigkeit und ein grosses Bewusstsein der Grösse Gottes und Seiner Gnade, mit der Er sie beschenkt hatte. Gott hatte sich herabgelassen und Grosses an ihr getan.

«Wer die Grösse hat, sich klein zu machen, ist wahrhaftig gross», las ich einmal irgendwo. Der Gott des Korans, Allah, fordert bedingungslose Unterwerfung. Der Gott der Bibel ist der Gott der Liebe, der sich für uns klein macht, der sich zu uns herabneigt. Das ist das Grosse, das Er an uns tut: Seine Erniedrigung macht uns reich. Jesus ist gekommen und Ihm ist alles möglich. Maria hatte einen felsenfesten Glauben, denn sie sagt: «… von nun an werden mich glückselig preisen alle Geschlechter!» (V 49). In ihrem Zustand und in ihrer Situation hätten wir wahrscheinlich gejammert: «Wenn ich nach Hause komme, werden sie mich steinigen oder mich in Schande fortjagen.»

Maria blickt über sich hinaus: «Seine Barmherzigkeit währt von Geschlecht zu Geschlecht über die, welche ihn fürchten. Er tut Mächtiges mit seinem Arm, er zerstreut, die hochmütig sind in der Gesinnung ihres Herzens. Er stösst die Mächtigen von ihren Thronen und erhöht die Niedrigen. Hungrige sättigt er mit Gütern, und Reiche schickt er leer fort. Er nimmt sich seines Knechtes Israel an, um an seine Barmherzigkeit zu gedenken» (Lk 1,50–54). Hatte Maria bis hierher über ihr persönliches Heil gesprochen, so hat sie nun auch einen prophetischen Blick, der weit über sie selbst und sogar über Israels Grenzen und Zeit hinausgeht. Sie präsentiert acht grosse Gottesoffenbarungen, und zwar in der Gegenwartsform. Das deutet auf die prophetische Kraft ihrer Worte, die der Heilige Geist ihr eingegeben hat. Sie sieht und verkündet alles von der Erfüllung her.

1. Seine Barmherzigkeit gilt allen.
2. Er tut Mächtiges mit Seinem Arm.
3. Er zerstreut die Hochmütigen.
4. Er stösst Mächtige von ihren Thronen.
5. Er erhöht die Niedrigen.
6. Er sättigt Hungrige mit Gütern.
7. Er schickt Reiche leer fort.
8. Er nimmt sich Seines Knechtes Israel an.

Maria deutet damit an, dass alle Menschen das erfahren dürfen, was sie an göttlicher Zuwendung und Barmherzigkeit erfahren hat. Ihre Erfahrungen mit Gott haben Vorbildcharakter. Denn Er hat Seine Barmherzigkeit nicht nur über Maria ausgeschüttet; sie gilt allen jüdischen Menschen von Geschlecht zu Geschlecht und letztendlich auch den Heiden. Sie gilt allen, die Ihn fürchten.

Gott zu fürchten bedeutet nicht, vor Gott Angst zu haben, sondern Ihn ernst zu nehmen, Seinem Wort zu glauben und persönlich und entschlossen darauf einzugehen. Wer das nicht tut, wird nie Sicherheit bekommen und nie echte, bleibende Freude erlangen.

Maria hatte aber auch vor Augen, dass Gott denjenigen widersteht, die Ihm widerstehen, egal wie angesehen sie vor den Menschen auch sein mögen. Hier sind die hochmütigen Pharisäer und Schriftgelehrten angesprochen, die das Volk verführten, sodass es schliesslich zerstreut wurde. Auch Herodes ist angesprochen, dessen Dynastie unterging, ebenso das gesamte römische Imperium, das später zugrunde ging.

Gott hatte auch dem Kaiser Augustus etwas entgegenzusetzen. Dieser war der Grossneffe von Caesar und regierte von 30 v.Chr. bis 14 n.Chr. Augustus ist auch unter dem Namen Gaius Octavius bekannt, doch der Senat verlieh ihm als Ehrentitel den Namen Augustus. Dieser Name bedeutet «der Erhabene». Der Herr Jesus war Gottes Antwort auf den Erhabenen der Menschen, denn fortan sollte Jesus Christus der Herr aller Herren und König über alle Könige sein; Er ist der Erhabene Gottes. Er ist auch der Arm Gottes, mit dem Gott Geschichte macht. «Darum hat ihn Gott auch über alle Massen erhöht und ihm einen Namen verliehen, der über allen Namen ist» (Phil 2,9). Diese Aussage gilt aber auch den heutigen Nationen, die sich immer weiter von Gott entfernen und letzten Endes in ein antichristliches Weltreich einmünden und schliesslich zerschlagen werden.

Maria hatte auch einen Blick für Gottes Treue in Bezug auf Israel: «Er nimmt sich seines Knechtes Israel an, um an seine Barmherzigkeit zu gedenken, wie er es unseren Vätern verheissen hat, Abraham und seinem Samen, auf ewig!» (Lk 1,54–55). Maria nennt Israel «Knecht Gottes». Das tat zuvor schon Gott selbst durch den grossen Propheten Jesaja: «Du aber, Israel, mein Knecht, Jakob, mein Auserwählter, du Same Abrahams, meines Freundes, den ich von den Enden der Erde ergriffen und aus ihren entferntesten Winkeln berufen habe und zu dem ich gesprochen habe: Du bist mein Knecht, ich habe dich auserwählt und nicht verworfen» (Jes 41,8–9). Nach 400 Jahren des Schweigens und allem, was geschehen war, hätte Israel sich fragen können: «Hat uns Gott verlassen, hat Er uns vergessen? Kommt der Messias denn nicht mehr? Hat Gott Seinen Plan geändert?» Doch da werden die Prophezeiungen plötzlich Geschichte und Gott gedenkt Seiner Barmherzigkeit.

Wir warten doch auch schon so lange auf das Kommen des Herrn! Ob vielleicht alles anders kommt, als wir es erwarten? Gottes Zeitplan ist nicht der unsrige! Sicher ist, dass Er alles erfüllt, was geschrieben steht. Hierbei ist der prophetische Blickwinkel Marias höchst aufschlussreich. Sie bezeugt fünf Dinge, die meines Erachtens die Abwicklung der Heilsgeschichte andeuten:

  • «Seine Barmherzigkeit währt von Geschlecht zu Geschlecht über die, welche ihn fürchten» (V 50). Das bezieht sich auf das erste Kommen Jesu, durch welches Gott Seine Barmherzigkeit über alle Menschen ausschüttete.
  • «Er tut Mächtiges mit seinem Arm; er zerstreut, die hochmütig sind in der Gesinnung ihres Herzens» (V 51). Das bezieht sich auf die Zerstreuung Israels, nachdem es Jesus verworfen hatte.
  • «Er stösst die Mächtigen von ihren Thronen und erhöht die Niedrigen» (V 52). Das bezieht sich auf die Einsetzung der Gemeinde und die zeitweilige Verwerfung Israels. Israel ist vom Sockel gestürzt worden und eine Gemeinde aus den verachteten Nationen ist erhöht worden.
  • «Hungrige sättigt er mit Gütern, und Reiche schickt er leer fort» (V 53). Am Ende des Gemeindezeitalters wird sich alles um die Wirtschaft drehen. Die Gemeinde Jesu wird von der Erde weggenommen und der Reichtum der Gottlosen wird in der Apokalypse wertlos sein (Jak 5,1–9; Offb 18).
  • «Er nimmt sich seines Knechtes Israel an, um an seine Barmherzigkeit zu gedenken, wie er es unseren Vätern verheissen hat, Abraham und seinem Samen, auf ewig!» (V 55). Das weist auf die Wiederannahme Israels beziehungsweise des gläubigen Überrestes hin. Gott wird Seiner Barmherzigkeit gedenken und Seine Verheissungen erfüllen: Israel wird wieder zum «Knecht des Herrn» werden.

Über die ganze Geschichte, die Maria durchlebte und die sich prophetisch auf die Völker legt, können wir als markanten Untertitel den Vers setzen: «Denn bei Gott ist kein Ding unmöglich» (V 37).

Was schleppen Sie, lieber Leser, zurzeit mit sich herum? Womit gehen Sie innerlich schwanger? Befinden Sie sich einsam und missverstanden in felsigem Bergland? Dann denken Sie daran: Die Einwilligung Marias in den Willen Gottes änderte alles! «Maria aber sprach: Siehe, ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe nach deinem Wort!» (V 38). Eine solche Entscheidung kann auch Ihr Leben ganz entscheidend verändern!

Norbert Lieth absolvierte seine theologische Ausbildung an der Bibelschule des Mitternachtsruf in Südamerika und war dort auf verschiedenen Missionsbasen tätig. Ein zentraler Punkt seines weltweiten Verkündigungsdienstes ist das prophetische Wort Gottes.
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