Dürfen wir Weihnachten feiern? (Teil 2)

Gottloses Konsumfest oder heidnischer Brauch? Wie Christen Weihnachten in Gottesfurcht feiern können. Ein Zeugnis.

Ich verstehe alle jene, denen der Trubel um Weihnachten auf den Keks geht. Da ist der Stress, der alljährlich schon Ende Oktober die Geschäfte und Menschen erfasst. Da sind die überladenen Regale in den Shoppingcentern voller Weihnachtsdekor, Weihnachtsgeschenke, Weihnachtsmusik, Weihnachtsmänner usw. usf. Ich verstehe, wenn es einem da ablöscht. Auch mir kann der weltliche Kommerz gestohlen bleiben. Das erinnert mich schwer an die eingangs erwähnte Dame, die nur bei der Verpackung stehen geblieben ist. Doch nur, weil sich die Welt an der Verpackung aufhält, sollen wir Christen gleich das ganze Paket wegwerfen? Nein, auf diese Idee bin ich noch nie gekommen. Dies aus verschiedenen Gründen:

Schon das Alte Testament verordnete dem Volk Israel Freudenfeste. Die Israeliten mussten mindestens dreimal im Jahr nach Jerusalem reisen. Neben dem obligatorischen wöchentlichen Ruhetag sollten sie dreimal im Jahr die Arbeit niederlegen und sich ausschliesslich auf Gott und Sein Wort konzentrieren. Das heisst: Dreimal im Jahr liessen die Israeliten das normale Leben hinter sich zurück, die Geschäfte, den Alltagsstress, die gewohnte Umgebung, um sich dabei ganz und gar auf den Herrn zu konzentrieren. Für die Eltern mag das mit einigem Aufwand verbunden gewesen sein. Doch für die Kinder dürften dies Ereignisse gewesen sein, die sich bleibend in ihrer Erinnerung eingruben. Auf Reisen gehen. Sich mit Freunden treffen. Mal etwas anderes machen. An einem anderen Ort schlafen. Etwas anderes essen. Gemeinschaft haben. Und miteinander Gott loben, Ihn anbeten und Ihm Danke sagen für all den Segen, den Er gegeben hat und gibt. 

Die Bibel nimmt oft darauf Bezug: «Ich freue mich an denen, die zu mir sagen: Lasst uns zum Haus des Herrn gehen! Nun stehen unsere Füsse in deinen Toren, Jerusalem! Jerusalem, du bist gebaut als eine festgefügte Stadt, wohin die Stämme hinaufziehen, die Stämme des Herrn – ein Zeugnis für Israel –, um zu preisen den Namen des Herrn!» (Ps 122,1-4). 

Auch da spielte die Verpackung eine nicht unwichtige Rolle. Zum siebentägigen Laubhüttenfest musste eine Behelfswohnung aus Ästen und Laub gebaut werden. Zum Passahfest wurde ein Lamm ausgesucht, geschlachtet und kam als Festessen auf den Tisch. Und auch zu Schawuot (Pfingsten) wurde traditionell gefeiert. Es wurde Milch getrunken, dazu Eierkuchen mit Quark gereicht und Käsekuchen und Honig gegessen. Man blieb die ganze Nacht wach, um die Thora zu studieren. – Ja, Gott will Verpackung.

Doch Gott will noch viel mehr. Er will uns den Inhalt schenken: Jesus Christus, Seinen Sohn. Die Hauptsache ist und bleibt Jesus Christus. Die Hauptsache bleibt Gottes Erlösung durch Jesus Christus, Sein Heil, Seine Gnade, Seine Fürsprache. Daran gibt es gar nichts zu rütteln, nichts zu zweifeln oder infrage zu stellen.

Es ist allerdings bedauernswert, ja sogar tragisch, wenn Christen keine Feste mehr feiern können. Die Welt feiert bis zum Umkippen, bis zum Abwinken. Sie feiert bis zum Exzess. Einfach nur, damit gefeiert und der Alltag wieder einmal vergessen werden kann. Und nun kommen Christen und sagen: «Wir feiern keine Weihnachten, denn wir haben das ganze Jahr Weihnachten.» Oder: «Wir feiern keine Ostern, denn Ostern ist immer.» Und: «Auch das Pfingstfest feiern wir nicht, denn der Heilige Geist ist schon gekommen.» Ja, das stimmt alles. Doch liebe Leute, darf ich Sie fragen: Was und wann feiern Sie dann? 

Die Bibel sagt uns: «Weinen hat seine Zeit, und Lachen hat seine Zeit; Klagen hat seine Zeit, und Tanzen hat seine Zeit; Steine schleudern hat seine Zeit, und Steine sammeln hat seine Zeit; Umarmen hat seine Zeit, und sich der Umarmung enthalten hat auch seine Zeit» (Pred 3,4-5). 

Fast scheint es, als ob wir Christen der Welt das Feiern überlassen hätten und selbst wie saure Zitronen durch die Welt gehen würden. Mit dem kann ich nicht einverstanden sein. Gerade wir Christen haben doch allen Grund, uns zu freuen, Ihm Danke zu sagen, Ihn zu loben, zu preisen und Seinen Namen zu erheben. In welchem Rahmen wir dies tun, das bleibt völlig uns überlassen. Dass dies nicht geschehen soll in Saufgelagen und Schwelgereien, mit vulgären Sprüchen und dergleichen, darüber muss ich keine Worte verlieren. Sie sind eines Christen nicht wert und noch viel weniger würdig. Doch wann haben wir das letzte Mal gezielt «Danke» gesagt und unserem Gott ein spezielles Lob dargebracht? Ihm Danke gesagt für Weihnachten, für Ostern, für Seine Himmelfahrt und für Seine baldige Wiederkunft? Wann haben wir das letzte Mal ein Fest zu Seiner Ehre gefeiert?

Das können wir tun, wenn wir zu Hause für Familie und Freunde den Tisch festlich decken; im Zusammenspiel der verschiedenen Farben, Kerzen, Tischdecken und Servietten; in der Abfolge der Speisen und Getränke; in den Gesprächen bei Tisch; durch die Gebete, die gesprochen werden; im Lob, das über unsere Lippen kommt; durch die Lieder, die gesungen werden … Nicht umsonst sagt die Bibel: «Und alles, was ihr tut, das tut von Herzen, als für den Herrn und nicht für Menschen» (Kol 3,23).

In diesem Sinne feierten wir letzte Weihnachten in einem besonderen Rahmen. Mitten im Wald hatten wir einen wunderschönen Kinderspielplatz entdeckt. Eine Hütte, verdeckt von halbhohen Mauern aus Tannenreisig, innendrin im Halbrund Sitzgelegenheiten, vor der Hütte eine grosse Feuerstelle. Dort sassen wir dann zu Weihnachten und feierten bis lange nach Mitternacht, insgesamt elf Personen. Dies bei Minustemperaturen, im dunklen Tannenwald, beim Schein einiger Petroleumlampen und des flackernden Lagerfeuers. Wir assen Fondue und tranken heisse Getränke. Das war der äussere Rahmen. Doch wir sind nicht bei dieser Verpackung stehen geblieben. Zwar haben wir sie genossen, aber für uns alle war klar, dass das Eigentliche der Inhalt ist. So kauerten wir im Halbkreis zusammen, lasen die Weihnachtsgeschichte in unserer eigenen Muttersprache «Schwiizerdüütsch» und stimmten gemeinsam, mit Gitarrenbegleitung, ein Loblied nach dem anderen zur Ehre Dessen an, dessen Geburtstag wir feierten. Es war ein wunderbares Weihnachtsfest im Andenken an Den, der vor ca. 2000 Jahren für uns den Himmel verliess, um auf diese Erde zu kommen. Und das ist allemal ein Fest wert. 

Manchmal frage ich mich: Wie wollen die Christen einmal im Himmel ein Fest feiern, wenn sie dies auf Erden so vehement ablehnen? Wie wollen sie Ihn droben loben, wenn sie es hier auf Erden nicht tun? Wie wollen sie Ihm einmal Danke sagen, wenn sie es hier auf Erden nicht mehr tun? Ist es nicht interessant, dass die Pharisäer und Schriftgelehrten dem Herrn Jesus Seine «Festfreude» ankreiden, indem sie Ihm unterstellen: «Er isst unmässig und trinkt wie ein Säufer; und zwielichtige Gestalten sind seine Freunde» (Mt 11,19). Die Feinde Jesu hatten Grund gesucht und gefunden, um Ihn anzuklagen. Was das Wunder zu Kana bei Seinen Feinden ausgelöst haben könnte, möchte ich gar nicht wissen. Da half Jesus doch tatsächlich, dass das Hochzeitsfest nicht aus Mangel an Wein zu einem Desaster wurde (Joh 2,3).

Ich feiere gerne Weihnachten. Es lässt in mir viele gute Erinnerungen aufkommen. Es ist für mich eine Gelegenheit, sich mit Familie und Freunden zu treffen. Es ist auch eine Chance, andere, Alleinstehende, Einsame und Fernstehende einzuladen. Es erfüllt mich mit Freude, und zwar Freude darüber, dass ich nicht nur eine wunderbare Verpackung öffnen darf, sondern noch viel mehr, dass ich dabei einen Inhalt entdecke, der meine kühnsten Wünsche übertrifft, meine Hoffnungen erfüllt und meine Sehnsüchte stillt: Jesus Christus. Ja, darum feiere ich Weihnachten, weil Gott vor Grundlegung der Welt beschlossen hat, Seinen Sohn auf diese Welt zu schicken. Bevor es mich gab, hatte Gott schon den Ausweg aus meinem Dilemma festgelegt und beschlossen. In Jesus sollte Gott Mensch werden. Ein Mensch wie Sie und ich. Ein Mensch mit Sehnsüchten, Wünschen, Hoffnungen, Freuden und Ängsten, jedoch ohne Sünde. Er sollte für mich geboren werden, um am Kreuz meine Schuld zu bezahlen, um mir den Weg wieder frei zu machen zum Vaterherzen Gottes. All das – ich kann es nur ein Wunder nennen – kann ich weder begreifen noch verstehen. Und dennoch ist es geschehen. Das ist mein Grund, warum ich Weihnachten feiere. Jeden Tag bin ich dankbar, dass Er kam, für mich starb, auferstand, gen Himmel fuhr und jederzeit wiederkommen kann. Doch einmal im Jahr, an Weihnachten, möchte ich zusammen mit Familienangehörigen und Freunden den Tag Seiner Geburt besonders feiern und Ihm dabei aus tiefstem Herzen Danke sagen. Dass Gott uns das grösste Geschenk gab, das Er je geben konnte, daran denke ich, wenn ich den Tisch schmücke und die Kerzen anzünde, wenn wir zusammensitzen, Sein Wort lesen und Seine Lieder singen. Es ist das Fest von Weihnachten, der Gedenktag Seiner Geburt.

Samuel Rindlisbacher ist Mitarbeiter und Verkündiger des Mitternachtsruf. Seine theologische Ausbildung absolvierte er in Südamerika. Er war massgeblich am Aufbau der grossen Jugendarbeit der Gemeinde Mitternachtsruf beteiligt.
Zurück