Der Sonderbeauftragte (Teil 3)

«Als es aber Gott, der mich von meiner Mutter Leib an abgesondert und durch seine Gnade berufen hat, wohlgefiel, seinen Sohn in mir zu offenbaren, damit ich ihn unter den Nationen verkündigte …» (Gal 1,15-16). – Über die besondere Stellung des Apostels Paulus.

Paulus und der erhöhte und verherrlichte Christus

Die zwölf Apostel wurden noch von dem erniedrigten Jesus berufen, Paulus hingegen von dem erhöhten und verherrlichten Christus. Darum spricht er mehrheitlich von «Christus Jesus», während die anderen überwiegend von «Jesus Christus» reden. Das gilt nicht durchwegs (z.B. Gal 1,12), denn schliesslich bleibt der erhöhte Christus auch der zuvor erniedrigte Menschensohn, der den Namen Jesus nicht abgelegt hat. So wurde Saulus auch vom Herrn berufen mit dem Satz: «Ich bin Jesus, den du verfolgst» (Apg 9,5). Aber die Mehrheit der Aussagen gibt diese Richtung an. Und Ausnahmen bestätigen bekanntlich die Regel.

So beginnen fast alle Briefe des Paulus mit der Wortwahl: «Paulus, Knecht Christi Jesu, berufener Apostel, abgesondert zum Evangelium Gottes» (Röm 1,1). Die anderen (jüdischen) Schreiber sprechen dagegen von «Jesu Christi» bzw. «Jesus Christus» (Mt 1,1; Mk 1,1; Jak 1,1; 1Petr 1,1; 2Petr 1,1; Jud 1,1). – Ich gehe davon aus, dass die Verlagerung der Schwerpunkte nicht bedeutungslos ist. Alles von Gott Inspirierte ergibt einen geistgehauchten Sinn.

Paulus hat Jesus vom Himmel her kennengelernt und seine Aussagen richten sich vorwiegend auf das Himmlische. So schreibt er zum Beispiel im Hinblick auf sich selbst und die Gemeinde: «Der Herr wird mich retten von jedem bösen Werk und bewahren für sein himmlisches Reich; dem die Herrlichkeit sei von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen» (2Tim 4,18; vgl. Kol 1,5).

Das tut der Apostel Petrus auch, wenn er von unserem Erbteil in den Himmeln spricht (1Petr 1,4). Schliesslich besteht die Gemeinde als Leib Christi aus Juden und Heiden, und darin gibt es keine Trennung. Doch ich würde sagen, dass Paulus das in tieferen Dimensionen tut (Eph 2,6). Die anderen zwölf Apostel haben ja immer noch die Verheissung, auf zwölf Thronen zu sitzen, wenn der Herr Sein Reich auf Erden aufrichtet (Mt 19,28; Lk 22,30). Und man sieht, dass diese Vision sie begleitet.

Mit «Jesus Christus» ist der Sohn Gottes als «im Fleisch» gekommen gemeint. Und «Christus (Jesus)» bezeichnet den Sohn Gottes als «im Geist» gekommen. Im Fleisch kam Er in die Welt. Durch den Heiligen Geist kam Er in unser Herz.

Über achtzigmal finden wir im Neuen Testament den Ausdruck «in Christus». Weil der Vater uns «in Christus» hineingebracht hat (1Kor 1,30), wurden wir mit Ihm gekreuzigt begraben, auferweckt und sitzen wir mit Ihm im Himmel (Eph 2,6). Es war die Aufgabe des Apostels Paulus, das «in Christus»-Sein zu offenbaren. 

Für Paulus war der erhöhte und verherrlichte Christus die einzige Offenbarungsquelle. Darum betonte er, Christus nicht mehr nach dem Fleisch zu kennen (2Kor 5,16). Manche wünschen sich: «Ach, wäre ich doch dabei gewesen, als Jesus damals auf der Erde lebte …» – Man vergisst darüber, dass wir heute viel mehr haben. William MacDonald schreibt dazu:

«Zwar konnte man Jesus als Nachbarn im Dorf Nazareth oder als irdischen Messias kennen, doch war es etwas völlig anderes, den verherrlichten Christus zu kennen, der gegenwärtig zur Rechten Gottes sitzt. Wir kennen heute den Herrn Jesus viel genauer und besser, wenn er uns im Wort durch den Heiligen Geist offenbart wird, als diejenigen ihn kennen konnten, die ihn nur nach seinem menschlichen Äußeren beurteilt haben, als er noch als Mensch auf der Erde lebte.»

Die Offenbarung über den Leib und das Haupt und die Botschaft der Entrückung erhielt nur Paulus. Da sehen wir wieder seinen himmlischen Blick. Ihm wurden vierzehn Geheimnisse offenbart, die bis dahin völlig im Verborgenen lagen und niemand anderem eröffnet wurden. Das heisst, dass wir den Höhe- und Gipfelpunkt tiefster Herzensgeheimnisse Gottes nur in den Paulusbriefen finden. Er verkündete keinen Gegensatz zum Bisherigen, aber eine Weiterführung mit für die Gemeinde veränderten Elementen, zum Beispiel, dass die Nationen nicht unter dem Mosaischen Gesetz stehen. 

Paulus besass eine Sonderberufung für die Sonderstellung der Gemeinde als Leib Christi. – Er ist der «Sonderbeauftragte». Die Gemeinde ist eine Neuschöpfung, ein neuer Mensch, für den das Gesetz der Gebote in Satzungen weggetan wurde (Eph 2,15). Diese Botschaft war nur Paulus gegeben. Er selbst betonte, dass ihm die Haushalterschaft (Verwaltung) für die Gemeinde aus den Nationen gegeben worden ist (Eph 3,2). Petrus war der Türöffner, er besass den Schlüssel (Mt 16,19), aber Paulus war der Haushalter.

Eine Haushalterschaft bzw. Verwaltung bedeutet, einen Haushalt zu führen, zu planen, zu ordnen und zu regieren. Dieses Haus ist die Gemeinde. Hier wird etwas von dem bedeutenden Auftrag des Paulus sichtbar. Er ist somit der Verwalter in Gottes Haus. Wenn dem so ist, dann müssen wir dieser Tatsache Rechnung tragen und dürfen seine Botschaft für uns nicht vernachlässigen (vgl. 1Kor 4,1; 9,17).

Norbert Lieth absolvierte seine theologische Ausbildung an der Bibelschule des Mitternachtsruf in Südamerika und war dort auf verschiedenen Missionsbasen tätig. Ein zentraler Punkt seines weltweiten Verkündigungsdienstes ist das prophetische Wort Gottes.
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