Müssen wir die Prophetie wirklich wörtlich verstehen? (Teil 1)

Die wörtliche Auslegung der biblischen Prophetie und die damit verbundene Lehre von der Entrückung vor der Trübsal ist oft starker Kritik ausgesetzt. Eine Darlegung und Stellungnahme.

Wenn die wörtliche Auslegung der Bibel hoch geschätzt und konsequent angewandt wird, ergibt sich daraus normalerweise, dass man vom Prätribulationismus (Lehre von der Entrückung vor der Trübsal) angezogen wird. Auch das Gegenteil ist für gewöhnlich wahr. Tim LaHaye ist lange für Dr. Coopers goldene Regel der Bibelauslegung eingetreten:

«Wenn die offensichtliche Bedeutung der Schrift Sinn ergibt, dann suche nach keinem anderen Sinn; nimm deshalb jedes Wort bei seiner primären, gewöhnlichen, normalen, wörtlichen Bedeutung, es sei denn der unmittelbare Kontext, prüft man ihn im Licht verwandter Stellen und axiomatischer und grundlegender Wahrheiten, weist deutlich auf etwas anderes hin.»

«Wenn Sie sich an diese Regel halten, ist es relativ leicht, die Schrift zu verstehen; wenn Sie sie ignorieren, werden Sie immer im Irrtum sein», erklärt LaHaye. «Das gilt insbesondere für die prophetischen Abschnitte der Schrift.»

Kritiker unserer Theologie haben jedoch oft verzerrt, was wir mit der wörtlichen Auslegung der Prophetie meinen. Diese Frage ist von entscheidender Bedeutung und bestimmt für den Einzelnen, ob der Prätribulationismus wahr ist.

Das Wörterbuch definiert literal (wörtlich) als «zu Buchstaben gehörend». Es sagt auch, dass die wörtliche Auslegung einen Ansatz beinhaltet, der «auf den konkreten Worten in ihrer normalen Bedeutung basiert … nicht über die Fakten hinausgeht». Die Mutter aller Wörterbücher, The Oxford English Dictionary, sagt: «Die ‹Buchstaben› (der Schrift) betreffend; das unverwechselbare Attribut dieses Sinnes oder dieser Auslegung (des Textes), das man erhält, wenn man seine Worte in ihrer natürlichen oder üblichen Bedeutung versteht und die normalen grammatikalischen Regeln anwendet; im Gegensatz zu mystisch, allegorisch, usw.»

«Die wörtliche Auslegung der Bibel meint einfach, den ursprünglichen Sinn der Bibel laut dem normalen und üblichen Gebrauch ihrer Sprache zu erklären.» Wie macht man das? Das ist nur zu erreichen durch die grammatische (entsprechend den Grammatikregeln), historische (übereinstimmend mit dem historischen Rahmen der jeweilige Stelle) und kontextuelle (in Übereinstimmung mit dem Kontext) Auslegungsmethode.

Die wörtliche Auslegung befasst sich mit dem Text, den konkreten Worten und Ausdrücken einer Passage. Eine allegorische oder nicht wörtliche Auslegung übernimmt einen Gedanken, der im Text einer Bibelstelle nicht ausdrücklich zu finden ist. Daher ist die allegorische Auslegung das Gegenteil einer wörtlichen Auslegung. Wie Bernard Ramm es in seinem klassischen und massgebenden Buch über die Schriftauslegung sagte: «Das ‹Wörtliche› ist dem ‹Allegorischen› direkt entgegengesetzt.»

Jesaja 2,1-5 ist eine Passage, die viele allegorisch statt wörtlich ausgelegt haben. Achten Sie beim Lesen der Stelle darauf, wen Jesaja eigentlich ansprach. Was sagt der Text?

«Das Wort, das Jesaja, der Sohn des Amoz, über Juda und Jerusalem schaute: Ja, es wird geschehen am Ende der Tage, da wird der Berg des Hauses des Herrn fest gegründet stehen an der Spitze der Berge, und er wird erhaben sein über alle Höhen, und alle Heiden werden zu ihm strömen. Und viele Völker werden hingehen und sagen: ‹Kommt, lasst uns hinaufziehen zum Berg des Herrn, zum Haus des Gottes Jakobs, damit er uns belehre über seine Wege und wir auf seinen Pfaden wandeln!› Denn von Zion wird das Gesetz ausgehen und das Wort des Herrn von Jerusalem. Und er wird Recht sprechen zwischen den Heiden und viele Völker zurechtweisen, sodass sie ihre Schwerter zu Pflugscharen schmieden werden und ihre Speere zu Rebmessern; kein Volk wird gegen das andere das Schwert erheben, und sie werden den Krieg nicht mehr erlernen. – Komm, o Haus Jakobs, und lasst uns wandeln im Licht des Herrn!»

Der Text spricht «Juda und Jerusalem» (V 1), «Zion» und «Jerusalem» (V 3) und das «Haus Jakobs» (V. 5) an. Aber viele allegorische Ausleger lesen diese Stelle und setzen einfach «die Gemeinde» für die oben erwähnten Synonyme für Israel ein. An keiner Stelle sagt der Text irgendetwas über die Gemeinde, und dennoch wird der Gedanke an die Gemeinde oftmals in den Text hineingelegt. Wer diese Stelle liest und feststellt, dass sie sich auf das historische Juda und Jerusalem bezieht, legt sie wörtlich aus – d. h. entsprechend dem, was die Buchstaben des Textes tatsächlich sagen. Wer meint, sie würde sich auf die Gemeinde oder etwas Ähnliches beziehen, legt sie allegorisch aus – d. h. dem Text wird ein Gedanke auferlegt, obgleich die eigentlichen Buchstaben oder Worte des Textes keine Grundlage dafür bieten.

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