«Jesus kommt bald» – erst nach 2000 Jahren?

Zeigen Matthäus 10,23; 24,34; Markus 9,1; 1. Thessalonicher 4,17; 1. Korinther 15,51; 1. Johannes 2,18 und Hebräer 10,37, dass unser Herr Jesus und die Apostel die Wiederkunft des Herrn für ihre Zeit prophezeit und sich demnach geirrt haben? Eine Untersuchung.

Matthäus 10,23 besagt: «Wenn sie euch in der einen Stadt verfolgen, dann flieht in eine andere! Ich versichere euch: Noch bevor ihr mit den Städten Israels zu Ende seid, wird der Menschensohn kommen.»

Dieser Vers ist bei Auslegern sehr umstritten. Liberale Theologen behaupten hier und an anderen Stellen gern, dass Jesus sich geirrt habe, wann immer Er über Sein baldiges Wiederkommen sprach. Doch Jesus spricht hier nicht von Seinem baldigen Kommen, sondern vom Abschluss der Mission überhaupt, denn mit Seinem Wiederkommen ist die Mission an Israel erst einmal zu Ende. 

Der Zusammenhang unseres Textes weist auf den missionarischen Auftrag der Jünger und den Schwierigkeiten, die sie dabei haben werden, nämlich Verfolgung, wie die Verse 14–22 aussagen. Davon sollten sie sich aber nicht einschüchtern lassen. Zunächst war der Auftrag der Zwölf auf Israel begrenzt (V. 4–5). Aber schon Vers 18 macht deutlich, dass ihr Auftrag weit über die Grenzen Israels hinausging. Wegen der schon in den dreissiger Jahren ausbrechenden Verfolgung (Apg 8,1), der zweiten Verfolgungswelle (Apg 12,1), die den Tod des Zebedäussohnes Jakobus zur Folge hatte und Petrus zwang, die Stadt zu verlassen, kamen die Apostel mit den Städten Israels nicht zu Ende, und wir sind es bis heute nicht. Die späteren Kapitel der Apostelgeschichte beschreiben, wie Paulus genau die beschriebenen Prinzipien anwandte und von einer Stadt in die andere floh und dabei das Evangelium immer weiter verbreitete. 

Wenn wir Matthäus 23,38–39 hinzuziehen, erkennen wir, dass die Gedanken des Herrn weit über die Zerstörung Jerusalems hinausreichten. Denn Er sagt, dass eine Zeit kommen wird, wo die Juden Jerusalems Ihn freudig annehmen werden. Offenbar ist das die Zeit, von der auch Paulus in Römer 11,25–26 spricht. 

«Genauso ist es, wenn ihr seht, dass alle diese Dinge geschehen. Dann steht sein Kommen unmittelbar bevor. Ich versichere euch: Dieses Geschlecht wird nicht untergehen, bis das alles geschieht» (Mt 24,33f.).

Das Wort Geschlecht meint entweder Menschen, die in der gleichen Zeit geboren wurden (= Generation, Zeitgenossen) oder die durch gemeinsame Abstammung verbunden sind (= Sippe, Stamm, Volk). Hier ist offenbar letzteres gemeint, denn Vers 33, «alle diese Dinge», verweist zurück auf den Inhalt des Kapitels von Vers 4 bis 29. Auch die Verse 48 bis 51 verweisen auf eine längere Zeitspanne bis zur Wiederkunft des Herrn, ebenso Matthäus 25,5.14.19. Hier kann also nicht die damals lebende Generation gemeint sein, sondern das Volk der Juden, das bis zur Wiederkunft des Herrn existieren wird. 

«Und er fuhrt fort: ‹Ich versichere euch: Einige von denen, die hier stehen, werden nicht sterben, bis sie Gottes Herrschaft mit Macht haben kommen sehen›» (Mk 9,1). 

Es wurden fünf verschiedene Deutungen vorgeschlagen für das, was Jesus mit dieser Aussage meinte: a) die Verklärung, die anschliessend berichtet wird, b) die Auferstehung und Himmelfahrt des Herrn, c) die Ausgiessung des Heiligen Geistes zu Pfingsten und die anschliessende Ausbreitung des Christentums, d) die Zerstörung Jerusalems im Jahr 70 und schliesslich e) die Wiederkunft des Herrn. 

Am wahrscheinlichsten ist die erste Deutung, denn einige der Anwesenden (nämlich drei Jünger, V. 2) würden noch vor ihrem Tod dieses gewaltige Ereignis vorausschauen. Auch die genaue Zeitangabe in Vers 2 spricht für diese Deutung. Petrus beschreibt später, dass alle drei die Macht und herrliche Grösse des Herrn gesehen hatten (2.Petr 1,16–18) und deshalb auch sicher waren, dass Jesus in Herrlichkeit wiederkommen wird. Die drei Jünger haben also das künftige Dasein ihres Herrn als herrlichen Richter und ewigen König – zwar nur vorübergehend, aber wirklich – wahrgenommen (Mk 9,2–9). 

«Danach werden wir, die noch am Leben sind, mit ihnen zusammen in Wolken fortgerissen werden zur Begegnung mit dem Herrn in der Luft. Und dann werden wir für immer bei ihm sein» (1.Thess 4,17). 

Paulus hielt es für möglich, dass er bei der Wiederkunft des Herrn noch am Leben sein könnte. Vergleicht man aber die Aussagen in 1. Korinther 6,14; 2. Korinther 4,14; 5,1; Philipper 1,20 und 2. Timotheus 4,6–8 mit den «wir Lebenden» in Vers 15 wird schnell klar, dass Paulus sowohl mit der Wiederkunft des Herrn noch zu seinen Lebzeiten als auch mit seinem Tod vor diesem Ereignis rechnen konnte. 

«Hört zu! Ich sage euch jetzt ein Geheimnis: Wir werden nicht alle sterben, wir werden aber alle verwandelt werden» (1.Kor 15,51). 

Wiederum behaupten manche Theologen mit Verweis auf diese Stelle, Paulus würde damit rechnen, dass es unter seinen Zeitgenossen Menschen gäbe, die nicht sterben würden. Das bedeutet, er hätte die Gewissheit, dass das Weltende in den nächsten 20 oder 30 Jahren käme. Wenn Paulus aber im gleichen Brief umgekehrt schreibt: «Gott hat den Herrn auferweckt und wird in seiner Macht auch uns auferwecken (1.Kor 6,14), dann wird man wohl kaum daraus schliessen können, dass er meinte, alle korinthischen Christen würden noch vor der Wiederkunft des Herrn sterben. 

In 1. Korinther 15,51a weist Paulus also nur darauf hin, dass Gott die Menschheitsgeschichte früher oder später zum Abschluss bringt. Dann werden auf jeden Fall einige Jesusbekenner noch am Leben sein. 

«Kinder, die letzte Stunde ist da. Ihr habt gehört, dass der Antichristus kommen wird. Und inzwischen sind viele solche Christusfeinde aufgetreten. Daran erkennen wir, dass die letzte Stunde angebrochen ist» (1.Joh 2,18). 

Johannes hat diesen Brief im hohen Alter geschrieben, etwa 20 Jahre nach der Zerstörung Jerusalems. Es war also um das Jahr 90 n.Chr. Die Gemeinden waren aber keineswegs von einer gescheiterten Naherwartung geprägt, sondern warteten gespannt und freudig auf das Kommen des Herrn. Das Auftreten antichristlicher Gestalten zeigt, dass bereits die letzte Stunde er Endzeit angebrochen ist. Trotzdem sind sie nur Vorläufer für den eigentlichen Antichristen (s. auch 2.Thess 2,3–4). Auch die Kirchengeschichte präsentierte etliche solcher Vorläufer: Nero, Päpste, Napoleon, Stalin, Hitler, u.a.

«‹Es ist nur noch eine ganz, ganz kurze Zeit, dann wird der kommen, der kommen soll›, hat Gott gesagt, und: ‹Durch seinen Glauben wird der Gerechte leben.› Und: ‹Wenn er sich abwendet, werde ich keine Freude an ihm haben›» (Hebr 10,37–38).

Hebräische Christen waren offenbar über die Verzögerung der Wiederkunft des Herrn bekümmert. Doch sie können sich mit der Gewissheit beruhigen, dass es nicht mehr lange dauert. Der Hebräerbrief verwendet hier Worte Gottes aus der griechischen Übersetzung des Alten Testaments und zwar aus Jesaja 62,21 und Habakuk 2,3–4. Christen sollen geduldig warten, denn das Kommen des Herrn steht bevor. Das bezeugen auch Jakobus 5,8 und 2. Petrus 3,9.

Kein einziger der angegebenen Verse bezeugt eindeutig, dass die damaligen Zuhörer oder Briefempfänger noch leben würden, wenn Jesus Christus wiederkommt. Im Gegenteil, es gibt einige Aussagen von Jesus und den Aposteln, die deutlich machen, dass die Wiederkunft des Herrn sich verzögern wird. 

Jesus selbst hat gerade in Seiner Endzeitrede in einigen Gleichnissen angedeutet, dass Sein Kommen sich verzögern würde, dass aber die, die an Ihn glauben, immer darauf gefasst sein sollen. 

Matthäus 24,48: «Wenn der Diener aber ein böser Mensch ist und denkt: ‹Mein Herr kommt noch lange nicht› …»

Matthäus 25,5: «Als nun der Bräutigam lange nicht kam, wurden sie alle müde und schliefen ein.»

Matthäus 25,19: «Nach langer Zeit kehrte der Herr zurück und wollte mit ihnen abrechnen.»

Dazu kommen all die Ereignisse, die dem Wiederkommen unseres Herrn in Macht und Herrlichkeit vorausgehen und im Jahr 70 noch längst nicht erfüllt waren:

  • Die Verkündigung des Evangeliums an alle Nationen (Mk 13,10).
  • Die grosse Drangsal, die schrecklich sein wird, dass sie alles übertrifft, was je geschah, seit Gott die Welt geschaffen hat. Auch danach wird es eine solche Bedrängnis nie mehr geben (Mk 13,19–20).
  • Die Kräfte des Himmels werden aus dem Gleichgewicht geraten (Lk 21,25f.).
  • Das Kommen des sogenannten Antichristen, des Menschen der Gesetzlosigkeit (1.Joh 2,18; 2.Thess 2,1–10).
  • Die Errettung von Israel als Ganzes und in voller Zahl (Röm 11,12.25–26).

Dazu noch einmal der Missionsbefehl am Schluss des Matthäus-Evangeliums, der keineswegs den Eindruck macht, dass er schon im Jahr 70 n.Chr. hätte erfüllt sein können:

«Da trat Jesus auf sie zu und sagte: ‹Mir ist alle Macht im Himmel und auf der Erde gegeben. Darum geht zu allen Völkern und macht die Menschen zu meinen Jüngern. Dabei sollt ihr sie auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes taufen und sie belehren, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe. Und seid gewiss: Ich bin jeden Tag bei euch, bis zum Ende der Zeit›» (Mt 28,18–20).

Die Aussagen dieser Schriftstellen sind so eindeutig, dass es schwierig ist, das «Bald» in den Aussagen unseres Herrn zu verstehen.

Der Herr kommt bald (Phil 4,5; 1.Petr 4,5; 5,1; Offb 1,3; 3,11; 22,7.20).

Petrus gibt in seinem zweiten Brief eine klare Antwort darauf. Denn schon zu seiner Zeit traten Spötter auf, die sagten: «Er hat doch versprochen wiederzukommen! Wo bleibt er denn? Inzwischen sind unsere Väter gestorben, aber alles ist immer noch so, wie es seit Anfang der Schöpfung war» (3,4). Petrus sagt, dass das eine gewaltige Täuschung ist, denn Gottes Zeiten funktionieren völlig anders als unsere:

«Eins dürft ihr dabei nicht übersehen, liebe Geschwister: Für den Herrn ist das, was für uns ein Tag ist, wie tausend Jahre; und was für uns tausend Jahre sind, ist für ihn wie ein einziger Tag. Der Herr verzögert seine Zusage nicht, wie manche das meinen. Im Gegenteil: Er hat Geduld mit euch, denn er will nicht, dass irgendjemand ins Verderben geht, sondern dass alle Gelegenheit haben, zu ihm umzukehren.» (2.Petr 3,8–9).

Weil Gott gnädig ist, ermöglicht er zahllosen Menschen die Umkehr zu Ihm. Er verzögert Seine Zusage keinesfalls. Und Er hat den Zeitpunkt dafür genau bestimmt. Wir können das keinesfalls wissen (Mt 24,44; 25,13; Mk 13,32–33) und dürfen schon gar nicht sagen, Er wäre schon gekommen (Hebr 4,1; 2.Thess 2,2). Auf jeden Fall wird es so sein, wie Petrus sagt: «Der Tag des Herrn wird aber so unerwartet kommen wie ein Dieb» (2.Petr 3,10). 

Ähnliches wird uns sehr häufig gesagt, zum Beispiel in Matthäus 24,42–44.50; 25,13; Markus 13,33–37; Lukas 12,40; 1. Thessalonicher 5,2 und anderen Stellen mehr. 

Ja, Jesus kann jederzeit kommen und Er wird plötzlich und unerwartet kommen. Die Zeichen, die vor Seiner Wiederkunft geschehen, sind uns nicht gegeben, damit wir den Zeitpunkt Seines Kommens ausrechnen können. Sie sind auch nicht dazu da, dass wir daran ablesen könnten, dass Er noch lange nicht kommt. Denn manche Zeichen hat es schon immer gegeben. Nein, die Zeichen sind uns gegeben, damit wir unsere Erwartung intensivieren. Denn Jesus, unser Herr, hat gesagt: 

«Wenn das alles anfängt, dann hebt den Kopf und richtet euch auf, denn dann ist eure Erlösung nicht mehr weit» (Lk 21,28).

Zurück