Gebet im Neuen Testament (Teil 2)

Das Neue Testament ist voller Hinweise auf das Gebet und voller Beispiele von Gebeten; wir können viel daraus lernen.

Charles H. Spurgeon sagte: «Wir können zu allen Zeiten beten – ich weiss, wir können es. Aber ich fürchte, dass diejenigen, die nicht zu bestimmten Stunden beten, überhaupt selten beten.» So gesehen ist Beten auch ein Gesetz. Georg Müller meinte: «Die stillen Stunden mit Gott müssen gepflegt werden, denn sie allein geben dem inneren Leben Kraft und Nahrung. Nichts kann uns für den Ausfall heiliger Stunden unter dem Wort und im Gebet entschädigen.» Es gibt im Neuen Testament unzählige Ermahnungen zum Gebet und Hinweise, Beispiele und Gleichnisse, die uns ein Zeugnis dafür sind, dass das Gebet ein «Muss» ist (Lk 18,1).

Oft wird betont, wie Jesus einsame Gegenden und die Stille suchte, um zu beten. Ganze Nächte verbrachte Er im Gebet (Mt 14,23; 26,36; Lk 6,12; 9,28; 11,1). Nach Pfingsten sehen wir die erste Gemeinde als eine betende Gemeinde, die äusserst viel Wert darauf legte, das Angesicht des Herrn zu suchen (Apg 1,14; 2,42; 3,1; 4,31; 6,4; 10,9; 14,23; 16,13). Der Apostel Paulus und seine Mitarbeiter beteten selbst sehr viel, und er hat dies sicher nicht betont, um damit anzugeben, sondern um ein Zeugnis und Ansporn zu sein (Röm 1,10; Eph 1,16; Kol 4,12; 2.Tim 1,3; Phlm 4). In den Apostelbriefen finden wir denn auch sehr häufig direkte Befehle und Aufforderungen zum Gebet (Eph 6,18; Kol 4,3; 1.Thess 5,17; 2.Thess 3,1; Hebr 13,18; Jak 5,16). 

Jemand sagte einmal im Hinblick auf das Gebet:

«Wie viele Besucher zur Bibelstunde kommen, zeigt an, wie populär die Gemeinde ist.
Wie viele Besucher zum Gottesdienst kommen, zeigt an, wie populär der Pastor ist.
Aber wie viele in die Gebetsstunde kommen, zeigt an, wie populär Jesus ist.»

Trotzdem, Beten ist nicht gesetzlich. Martin Luther soll gesagt haben: «Gut gebetet ist halb studiert. … Ich habe so viel Arbeit, dass ich nicht auskomme ohne täglich mindestens drei Stunden meiner besten Zeit dem Gebet zu widmen.» Das war für ihn der richtige Weg, aber man kann nicht zwangsweise solche Beispiele aufs eigene Gebetsleben legen und unzufrieden sein, wenn man es nicht schafft, so lange zu beten. Eine Hausfrau und Mutter, die sich um ihre Kinder kümmern muss, wird wohl kaum drei Stunden am Stück beten können. Hier sollte niemand unzufrieden werden und sich knechten lassen; die Hauptsache ist, dass man betet. – Dies übrigens war auch ein Anliegen von Luther selbst, der gegen jede Form von «neu-mönchischer» Gesetzlichkeit war und sich sicherlich masslos aufregen würde, wenn er wüsste, dass heute manche Christen sein persönliches Zeugnis zum Gebet zu einem Gesetz erheben. 

Jeder sollte beten, möglichst viel, aber dem einen liegt der Morgen am besten, der andere kann sich mittags die Zeit nehmen für ein längeres Gebet und anderen geht es am Abend am besten. Manche können es während des Spazierengehens, andere nur in einer stillen Kammer und etliche nur auf den Knien.

Jesus Christus ist unser grösstes Beispiel, was das Gebet betrifft. Er betete häufig und oft auch lange. Dennoch warnte Er vor gewissen gesetzlichen Gebeten, die nicht aufrichtig sind: «Alle ihre Werke tun sie aber, um von den Leuten gesehen zu werden. Sie machen nämlich ihre Gebetsriemen breit und die Säume an ihren Gewändern gross» (Mt 23,5). «Und wenn ihr betet, sollt ihr nicht plappern wie die Heiden; denn sie meinen, sie werden erhört um ihrer vielen Worte willen» (Mt 6,7). 

Der Herr Jesus ermutigte einst Seine Zuhörer mit einem Gleichnis über das Gebet, darin begann Er mit den Worten: «Wenn einer von euch einen Freund hätte und ginge zu ihm um Mitternacht und spräche zu ihm: Freund, leihe mir drei Brote» (Lk 11,5).

«Freund, leihe mir drei Brote.» Es gibt drei Dinge, die wir aus dieser Bitte lernen können:

  1. Der Wunsch könnte nicht kürzer formuliert sein.
  2. Die Bitte ist konkret und kommt direkt zum Kern.
  3. Der Bittende hat keine Skrupel, unpassend zu sein. Er kommt mitten in der Nacht zu seinem Freund. Er bittet kühn.

Zum Nachdenken anregen mag da folgendes, direkt zum Kern gehendes Gebet aus China: 

«Herr, erwecke deine Kirche und fange bei mir an.
Herr, baue deine Gemeinde auf und fange bei mir an.
Herr, bringe deine Liebe und Wahrheit zu allen Menschen und fange bei mir an.»

Norbert Lieth absolvierte seine theologische Ausbildung an der Bibelschule des Mitternachtsruf in Südamerika und war dort auf verschiedenen Missionsbasen tätig. Ein zentraler Punkt seines weltweiten Verkündigungsdienstes ist das prophetische Wort Gottes.
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