Mut für morgen! Christsein im starken Gegenwind (Teil 3)

Unser Herr spricht: «In der Welt habt ihr Bedrängnis; aber seid guten Mutes, ich habe die Welt überwunden» (Joh 16,33). Ein Appell für das neue Jahr.

Keiner von uns wünscht sich Leid. Wir dürfen auch darum beten, dass der Herr Leiden wegnimmt oder lindert. Aber unsere heutige Leidensscheue auf allen Ebenen macht uns auch leidensscheu, wenn es um das Evangelium geht. Und wir übersehen bzw. überlesen, wie viele Verheissungen uns in Bezug auf das Leiden um Jesu willen gegeben sind. Ich zitiere 1. Petrus 1,6-9: «Darin jubelt ihr, die ihr jetzt eine kleine Zeit, wenn es nötig ist, in mancherlei Versuchungen betrübt worden seid, damit die Bewährung eures Glaubens viel kostbarer befunden wird als die des vergänglichen Goldes, das durch Feuer erprobt wird, zu Lob und Herrlichkeit und Ehre in der Offenbarung Jesu Christi den ihr liebt, obgleich ihr ihn nicht gesehen habt; an den ihr glaubt, obwohl ihr ihn jetzt nicht seht, über den ihr mit unaussprechlicher und verherrlichter Freude jubelt; und so erlangt ihr das Ziel eures Glaubens: die Rettung der Seelen.»

Ganz unabhängig davon, wie wir über die Entrückung denken – ob vor, aus oder nach der Trübsal –, lehrt uns auch das Buch der Offenbarung, dass das Zeugnis für Christus mit Leiden verbunden ist. Das letzte Buch der Bibel war schon immer ein Trostbuch für die verfolgte Gemeinde. In den sieben Sendschreiben finden wir die Leiden verschiedener Gemeinden, bis hin zum Märtyrertod. Trotz allem Leiden und aller Anfechtung lenkt die Offenbarung immer wieder den Blick auf die Grösse Gottes. Wie schon erwähnt, darf uns selbst die Entrückung vor der Trübsal, wenn es denn so sein sollte, nicht den Blick für die Bedrängnisse um Christi willen verbauen. 

Ein Bruder berichtete mir Folgendes über die Christen in China: Vor der Kulturrevolution kam eine Erweckung in China auf. Drei Personen, die der Herr zweifelsohne gebrauchte und die bis heute grosse geistliche Vorbilder sind, betonten sehr stark die Entrückung vor der Trübsal. Als dann die Kulturrevolution ausbrach und die Verfolgung begann, sagten einige Christen, dass sie betrogen wurden, da sie nun furchtbar für den Glauben leiden müssten und die grosse Trübsal auch nicht mehr schlimmer sein könnte. Es ging sogar soweit, dass deshalb mehrere vom Glauben abfielen. Daraus können wir lernen, wie sehr wir aufpassen müssen, die Dinge nicht falsch zu betonen oder gar den Glauben an die Entrückung vor der Trübsal mit unserer Leidensscheue zu verbinden.

Wenn wir sehen, wie der Gegenwind zunimmt, stellt sich die Frage, was heute zu tun gilt. Unser Herr hat verheissen, dass wir vor Verhören keine Angst zu haben brauchen und Er uns eingibt, was wir dann reden sollen (Mk 13,11). Das ist das Eine. Auf der anderen Seite spricht Jesus im selben Kapitel von Bedrängnissen, Verführung und Verfolgung: «Seht ihr euch aber vor! Ich habe euch alles vorhergesagt» (Mk 13,23). Er sagt diese Dinge, damit sie uns nicht unvorbereitet treffen; unabhängig davon, wann die Entrückung sein wird. Der erste Thessalonicher- und der erste Petrusbrief machen deutlich, dass Bedrückungszeiten keine geistlichen Selbstläufer sind. Von daher ist es richtig, dass wir uns in rechter Weise auf solche Zeiten vorbereiten.

Wir müssen heute das tun, was in der Verfolgung nicht mehr möglich ist. Diesen Anstoss gibt Werner Stoy in seinem Buch. Freie Evangelisation, ob persönlich oder als Gemeinde, sollten wir noch viel mehr nützen. Unsere Glaubensfreiheit hätte dieses Anliegen beschleunigen müssen. Aber leider ist das Gegenteil eingetreten. Wir sind träge und bequem geworden. Möglicherweise werden wir das im Rückblick noch einmal bitter bereuen. Dasselbe gilt für das Anliegen der Weltmission. Die Gemeinde in der Verfolgung kann keine Missionare aussenden und unterstützen und ist in ihren finanziellen Ressourcen sehr begrenzt. Wir haben dazu alle Möglichkeiten, drehen uns aber so oft um unsere eigenen Anliegen und eigene Geistlichkeit, dass wir Gottes weltweiten Auftrag in den Hintergrund stellen.    

Heute können wir als Gemeinde Jesu völlig unbedrängt Gottes Wort hören und Gemeinschaft pflegen. Und oft ist das für uns kein erstrangiges Anliegen mehr, sondern muss irgendwie unseren anderen Interessen und Aktivitäten angepasst bzw. untergeordnet werden. Wir sind diesbezüglich auch stark vom Individualismus und den Freizeitmöglichkeiten bestimmt. In der Verfolgung wird es für fromme Einzelgänger sehr schwierig. Dann sehnen sich die Geschwister nach Gemeinschaft unter Gottes Wort und miteinander. Aus diesem Grund haben die Sowjets auch versucht, Gemeindezusammenkünfte zu stören und zu verbieten. Auch in dieser Beziehung könnten wir möglicherweise einmal traurig auf unsere falschen Prioritäten in einer freien Gesellschaft zurückblicken.

Was in der Verfolgung immer verboten wird, ist die Bibel, weil Gottes Wort ein göttliches Kraftwort ist. Heute haben wir alle Freiheiten zum persönlichen Umgang mit Gottes Wort. Und wir nützen auch dies viel zu wenig, weil uns anderes viel wichtiger ist. Jeder kann sich überall mit der Bibel beschäftigen, ohne dass dies Konsequenzen hat … höchstens ein paar dumme Blicke und Bemerkungen. Wir können die Bibel zuhause, im Zug, auf einer Parkbank, im Liegestuhl am Strand, einfach überall lesen. Nun sage ich nicht, dass wir überall nur noch Bibellesen müssen. Aber es kann die Zeit kommen, in der wir für das Bibellesen bestraft werden und einen sehr hohen Preis bezahlen. Und wir werden möglicherweise noch wehmütig an unseren oberflächlichen Umgang mit Gottes Wort zurückdenken.

Während meiner Bibelschulzeit berichteten Brüder aus ihren Erfahrungen in der Sowjetunion und den Straflagern. Damals war die Verfolgung noch aktuell. Natürlich kam die Frage auf, wie wir uns auf so etwas vorbereiten können. Die Antwort werde ich nie vergessen. Sie lautete sinngemäss wie folgt: «Lebe heute treu und im Gehorsam gegenüber dem Herrn, dann wird Er dich auch durchtragen, wenn alles anders kommt.»

Es geht darum, dass wir jetzt treu sind, wo uns der Herr hingestellt hat, dass wir in diesem Moment Seinem Wort gehorsam sind und in Abhängigkeit von Ihm leben. Wer meint, dass er heute Kompromisse machen und alles locker nehmen könnte, der wird auch dann nicht stehen, wenn der Druck zunimmt. Im Gleichnis vom vierfachen Ackerfeld lesen wir von dem, was auf den Fels gesät war und dann verdorrte (Mt 13,21). Das sind die Menschen des Augenblicks, die Euphorie, aber keine tiefe Wurzeln haben. Deshalb fallen sie ab, wenn der Druck kommt.

Zu dieser Treue gehört auch der Bekennermut, nämlich schon heute klar zu Christus und dem Evangelium zu stehen, auch wenn es nicht mehr erwünscht ist und wir dadurch Ausgrenzung oder Ablehnung erfahren. Wie sonst wollen wir Mut in anderen Zeiten haben, wenn dieser uns schon jetzt verloren geht? Dazu gehört auch unser praktisches Leben, die Art und Weise, wie wir mit anderen Menschen umgehen, ihnen dienen und uns in der Gemeinde untereinander einbringen.

In allem sollte es uns ein prinzipielles Anliegen sein, in der Erkenntnis unseres Herrn zu wachsen. Paulus und Petrus war dies ein grosses Anliegen für die Gemeinden (Eph 1,15-23; Kol 1,10; 2Petr 3,18 u.a.). Wachstum in der Gotteserkenntnis lässt unser Vertrauen zu Ihm wachsen. Dabei geht es nicht nur um theoretisches Wissen. Die biblischen Wahrheiten entfalten ihre Kraft, wenn sie im praktischen Leben zur Geltung kommen. Wenn wir dem Herrn um Seinetwillen auch dann vertrauen, wenn manches anders kommt als wir meinen.

Wie wichtig die Gotteserkenntnis angesichts von Druck und Verfolgung ist, macht Paulus am Ende seines Lebens deutlich. Festgehalten als ein Staatsverbrecher, in einem feuchten, stinkenden und kalten Kerkerverliess, die Hinrichtung vor Augen, kann er schreiben: «Denn ich weiss, wem ich geglaubt habe, und bin überzeugt, dass er mächtig ist, mein anvertrautes Gut bis auf jenen Tag zu bewahren» (2Tim 1,12). 

Auf der anderen Seite geht es um die biblische Selbsterkenntnis. Petrus verleugnete seinen Herrn, weil er eine viel zu hohe geistliche Meinung von sich selbst hatte. Er setzte sein Vertrauen auf die eigenen Frömmigkeit und Kraft, anstatt den Worten Jesu zu glauben. Standhalten tun unter Druck nicht diejenigen, die meinen, dass sie alles im Griff haben und geistlich genug sind. Vielmehr stehen die fest, die ihre völlige Abhängigkeit von Christus erkannt haben und um ihre eigene Schwachheit wissen. Das wirft sie ganz auf den Herrn.

Johannes Pflaum erhielt eine fünfjährige Ausbildung am theologischen Seminar der Liebenzeller Mission. Er gehört zur «Christlichen Gemeinde Sennwald» und ist seit 2000 als Verkündiger und Bibellehrer im Rahmen des «Bibel-Lehr-Dienst» im In- und Ausland tätig.
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