Kommen am Ende alle in den Himmel?

Die Lehre der Allversöhnung gewinnt im Christentum an Zuspruch. Ist diese Lehre legitim? Sollten wir sie als ernstzunehmende Alternative zu unseren traditionellen Vorstellungen von der Ewigkeit erwägen? Eine Stellungnahme.

Es gibt verschiedene Varianten der Allversöhnung – die einen berufen sich mehr auf die Bibel als die anderen. Doch eines vereint alle Allversöhner, nämlich die Vorstellung, dass am Ende aller Dinge, wenn Gott «alles in allem» ist, Er auch alles und jeden mit sich selbst versöhnt haben wird. Mit anderen Worten: Am Ende wird es keine verlorenen Menschen und keine gefallenen Engel mehr geben, sondern alle Geschöpfe werden durch Jesus Christus gerettet sein – auch die, die Ihn abgelehnt haben. 

Diese Idee der Allversöhnung müssen wir aufgrund des Gesamtzusammenhangs der Bibel entschieden ablehnen, und zwar aus folgenden Gründen: 

So reizvoll dieser Gedanke menschlich gesprochen auch sein mag, so ist er doch nicht mehr als eine christliche Philosophie und Spekulation, die über Gottes offenbartes Wort hinausgeht. Paulus warnt mit eindringlichen Worten: «Sehet zu, dass nicht jemand sei, der euch als Beute wegführe durch die Philosophie und durch eitlen Betrug, nach der Überlieferung der Menschen, nach den Elementen der Welt, und nicht nach Christo» (Kol 2,8). Und an anderer Stelle betont er: «Wir zerstören damit Gedanken und alles Hohe, das sich erhebt gegen die Erkenntnis Gottes, und nehmen gefangen alles Denken in den Gehorsam gegen Christus» (2.Kor 10,5). Dabei geht die Bibel sogar so weit zu sagen, dass jedes menschliche Denken, das sich nicht bedingungslos dem Wort Gottes unterstellt, unfähig ist, Gott und Seine Wahrheit zu erkennen. Denn das menschliche Denken ist durch die Sünde verfinstert. «Sie hätten Gott kennen können, haben ihm aber göttliche Ehrung und Dank verweigert. Sie sind stattdessen mit ihrem Denken in die Irre gegangen, ja ihr Innerstes wurde verfinstert» (Röm 1,21).

Allein das Wort Gottes kann bei unseren Fragen der Massstab sein – erst recht in Bezug auf die Ewigkeit. Und wenn uns in gewissen Fragen die Bibel keine klare Antwort gibt, dann darf unsere Auslegung nicht über das von ihr gegebene Wissen hinausgehen. Tun wir es dennoch, dann ist es reine Spekulation und kann das Ganze in einer Irrlehre enden.

Leider zeigen die Lehrsätze der Allversöhnung, dass sie über das Wort Gottes hinausgehen. Allversöhner benutzen Gottes Aussagen zwar, reissen sie aber aus dem Kontext. Ein beliebter Bibelvers der Allversöhnung ist 1. Korinther 15,22: «Denn gleichwie in dem Adam alle sterben, also werden auch in dem Christus alle lebendig gemacht werden.» Zitiert man jedoch diesen Vers isoliert, dann wird ausser Acht gelassen, dass die Bibel selbst klar definiert, wer mit diesen «allen» gemeint ist. Im folgenden Vers nämlich begrenzt Paulus «alle» eindeutig auf die, «welche des Christus sind» (1.Kor 15,23). Die Auferstehung zum ewigen Leben betrifft nur diejenigen, die durch ihren Glauben an Jesus und durch Sein Erlösungswerk gerettet worden sind (Hebr 11,6; Röm 3,28; 10,14). «Ohne Glauben aber ist es unmöglich, ihm wohlzugefallen; denn wer zu Gott kommen soll, muss glauben, dass er ist und die, welche ihn suchen, belohnen wird» (Hebr 11,1). 

Trotzdem meinen Allversöhner, dass dann aber 1. Korinther 15,28 ihre Position untermauert: «Wenn ihm aber alles unterworfen sein wird, dann wird auch der Sohn selbst dem unterworfen sein, der ihm alles unterworfen hat, auf dass Gott alles in allem sei.» Hier sehen sie einen Hinweis auf die Idee, dass es in der Ewigkeit nicht zwei unterschiedliche Gruppen geben könne (die der ewig Erretteten und die der ewig Verlorenen). Dabei geht es in diesem Text gar nicht um individuelle Erlösung, sondern um Gottes universale Herrschaft. Es ist die Erfüllung des Gebetes Jesu: «Dein Reich komme; dein Wille geschehe, wie im Himmel also auch auf Erden» (Mt 6,10). Dass es in der Ewigkeit sehr wohl zwei unterschiedliche Gruppen geben wird, bezeugt Jesus Christus selbst (Mt 25,31–46). 

Ein Bibeltext, der stets als Kronzeuge für die Allversöhnung verwendet wird, ist Kolosser 1,19–20: «Denn es war das Wohlgefallen der ganzen Fülle, in ihm zu wohnen und durch ihn alle Dinge mit sich zu versöhnen, indem er Frieden gemacht hat durch das Blut seines Kreuzes, durch ihn, es seien die Dinge auf der Erde oder die Dinge in den Himmeln.» – Hier steht es doch, schwarz auf weiss, dass letztendlich alles und jeder mit Christus versöhnt wird! – so lautet das Argument. Doch wenn man die Worte des Apostels Paulus nur weiterlesen würde, dann würde man sehen, dass diese Versöhnung aller Dinge für uns Menschen an der Bedingung des Glaubens im Hier und Jetzt geknüpft ist: «sofern ihr im Glauben gegründet und fest bleibt und euch nicht abbringen lasst von der Hoffnung des Evangeliums, das ihr gehört habt …» (V 23). Paulus selbst hat ja auch an eine bleibende Verlorenheit derjenigen, die Christus ablehnen, geglaubt (Röm 2,12; 1.Kor 1,18; 2.Kor 2,15; 4,3; 2.Thess 1,9; 2,10). 

Versöhnung ist nur möglich durch den Glauben (Joh 20,31; Röm 3,22.25.28.30; 5,2; 11,20; 2.Kor 1,24; Gal 2,26; Kol 2,12). Wenn sich in der Zukunft einmal alle Christus unterwerfen müssen, dann ist dies nicht in jedem Fall zwangsläufig ein Ausdruck des Glaubens, sondern des Sieges Jesu (Phil 2,9–11). Unterwerfung ist nicht gleich Versöhnung, sondern entspricht der bedingungslosen Kapitulation eines Feindes unter den Sieger. 

Doch – so der emotionale und durchaus verständliche Einwand – lässt sich die Lehre von der ewigen Verlorenheit eines Menschen wirklich mit dem Wesen Gottes vereinen? Er ist doch Liebe (1.Joh 4,7–8). Dass Gott Liebe ist, steht ausser Frage. Aber diese Wahrheit lässt sich nicht vom ganzen Wesen Gottes trennen. Er ist auch vollkommene Gerechtigkeit (Ps 116,5), vollkommenes Licht (1.Joh 1,5) und ewige Heiligkeit (Offb 4,8). Wir dürfen auf keinen Fall eine Wesenseigenschaft Gottes gegen die andere ausspielen. Vielmehr müssen wir die Schrift so stehen lassen, wie sie ist. 

Deshalb müssen wir auch die Idee verwerfen, dass die «Hölle» ein Ort der Reinigung sei, wie einige Allversöhner meinen. Sie lehren, in der Hölle werde das Evangelium gepredigt, und dabei berufen sie sich auf 1. Petrus 3,19: «In welchem er auch hinging und predigte den Geistern, die im Gefängnis sind.» Auch hier liegt wieder ein fataler Trugschluss vor. Petrus spricht von einer Proklamation, nicht einer Evangelisation, und benutzt die Begebenheit, um zu zeigen, wie wenige das ewige Leben finden. Damals, während der langen Predigtzeit Noahs (120 Jahre lang), waren am Ende nur acht Menschen bereit, die Möglichkeit der Rettung für sich in Anspruch zu nehmen (1.Petr 3,20). «Die Pforte ist eng, und der Weg ist schmal, der zum Leben führt, und wenige sind es, die ihn finden!» (Mt 7,14). Dass die «Hölle» ein Ort der Busse, Reinigung und Umkehr sein soll, widerspricht in klarer Weise den Schilderungen des Herrn Jesus in Lukas 16,20–31, wo der verstorbene Reiche die Kluft zwischen seiner Verlorenheit und dem Paradies nicht überwinden konnte. 

Schliessen wir unsere Gedanken mit einem letzten Punkt. Vertreter der Allversöhnung betonen, dass die «Ewigkeiten», von denen die Bibel spricht, nicht Unendlichkeiten ausdrücken würden, sondern in sich begrenzte Zeitabschnitte. Doch auch hier gilt wieder: man beachte den Kontext! Jesus Christus sagt: «Und sie werden in die ewige Pein gehen, die Gerechten aber in das ewige Leben» (Mt 25,46; vgl. Dan 12,2–3). Damit ist für Jesus Christus sowohl die ewige Pein als auch das ewige Leben von gleicher Zeitdauer. Und warum nun auf der einen Seite die ewige Pein begrenzt sein soll, das ewige Leben jedoch nicht, ist gedanklich nicht nachvollziehbar. Dasselbe denkt auch Paulus: Es gibt nur diese beiden Bestimmungen, nämlich «Zorn und Grimm» oder «ewiges Leben» (Röm 2,6–10; vgl. Offb 21–22). Die Bibel kennt keinen Zwischenweg. «Wer an den Sohn glaubt, hat ewiges Leben; wer aber dem Sohn nicht gehorcht, wird das Leben nicht sehen, sondern der Zorn Gottes bleibt auf ihm» (Joh 3,36).

Die Allversöhnung ist eine Irrlehre, denn sie stellt die Autorität des Wortes Gottes infrage und meint, besser über Gottes Wesen Bescheid zu wissen, als Jesus Christus und die Apostel. Man mag mir Unbarmherzigkeit vorwerfen, doch eines bestimmt nicht: Untreue gegenüber dem, was Jesus selbst gelehrt hat. Bei Seiner Lehre möchte ich bleiben, sagt doch unser Herr: «Wer meine Gebote hat und sie hält, der ist es, der mich liebt» (Joh 14,21).

Samuel Rindlisbacher ist Mitarbeiter und Verkündiger des Mitternachtsruf. Seine theologische Ausbildung absolvierte er in Südamerika. Er war massgeblich am Aufbau der grossen Jugendarbeit der Gemeinde Mitternachtsruf beteiligt.
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