SgM 11-07

SgM 11-07

Das wäre doch was, die Stellung des Apostels Paulus zu haben, berufen zu sein wie er. So berühmt, so wirksam und fruchtbringend, wie er es war. Es liegt uns im Blut, etwas darstellen zu wollen. Doch wie war Paulus wirklich?

Die Elberfelder Studienbibel mit Sprachschlüssel übersetzt das Wort «Diener» auch mit «Ruderer». In einer Broschüre wird er als «Ruderknecht» bzw. «Unterruderer» beschrieben (Die Gemeinde, welche sein Leib ist, CfD, Leer-Loga, S. 14).

Wir wären alle gerne Kapitän, aber Unterruderer? Beim Wort Ruderer dachte Paulus sicher an die Gegebenheiten seiner Zeit. Da gab es zumeist Sklaven auf den Schiffen und Galeeren. Die sassen ganz unten in den Schiffsräumen, in stickiger, nach Schweiss riechender Luft. Angekettet, die ständige Angst des Untergangs vor Augen, in zermürbender Arbeit, Verzicht und nicht selten unter furchtbaren Qualen. Die Arbeit eines Ruderers gehörte zu der schmachvollsten und entehrendsten Sklavenarbeit. Paulus beschreibt sich als jemanden in Drangsal, Herzensangst und Tränen Stehender (2Kor 2,4). Als einen, der bereit war, jedes Opfer zu bringen und selbst geopfert zu werden (Kap. 12,15). Als jemand, der allezeit das Sterben Jesu an seinem Leib trug (Kap. 4,10). Nicht als jemand, der in den vordersten Reihen im Rampenlicht steht, sondern bei den Letzten, den Todgeweihten, als ein Schauspiel sowohl Engeln als auch Menschen (1Kor 4,9). Vielleicht dachte er dabei an die Gladiatoren in den Arenen, die ständig den Tod vor Augen hatten und ein Schauspiel für das Publikum waren.

Paulus arbeitete mit seinen eigenen Händen, um den Lebensunterhalt für sich und seine Begleiter zu bestreiten (Apg 20,33-34; 1Kor 4,12). Viermal hatte er Schiffbruch erlitten, dreimal war er mit Ruten geschlagen worden, einmal wurde er gar gesteinigt (2Kor 11,25). Ständig wurden er und seine Mitarbeiter gelästert. Sie litten Hunger und Durst, wurden mit Fäusten geschlagen, hatten keinen festen Wohnsitz. Sie waren der Kehricht der Welt und der Abschaum aller (1Kor 4,11-13). Er sieht sein Leben als ein Trankopfer (2Tim 4,6).

Und nun ruft er die Gemeinde auf, seine Nachahmer zu sein, wie auch er Christi Nachahmer war. Paulus personifiziert mit seinem Leben gewissermassen die Gemeinde (1Tim 1,16) in der erfahrenen Gnade, im Glauben und im Leid. Und er stellt als solcher der Gemeinde keine glorreichen Zeiten in Aussicht, sondern Not und Bedrängnis, Leid und Schmach, Kampf und Schmerzen.

Erst am Ende erwartet uns die Herrlichkeit, die alles überstrahlen wird (Röm 8,18; 2Kor 4,17; 1Petr 1,7; 4,13).