SgM 01-30

SgM 01-30

Louis Harms erzählt in Goldene Äpfel in silbernen Schalen (Hermannsburg, 1908) von folgender Begebenheit:

«Es war um 940 n.Chr. Das Evangelium hatte die Germanen im Norden Deutschlands erreicht. Zu den ersten Bekehrten gehörte ein Mann namens Hermann Billing. Er sprach das Recht und Urteil unter den Germanen. Er war sozusagen der erste Richter. Daher die Ausdrücke ‹Recht und Billig› (‹billigen› = gutheissen, einwilligen). Dieser hatte einen Sohn, der ebenfalls Hermann hiess.

Der Vater schickte den 13-jährigen Sohn eines Tages auf die Weiden, um die Rinder zu hüten. Plötzlich tauchte hoch zu Ross ein prächtiger Zug von Rittern auf. Die Ritter bogen vom Weg ab und wollten eine Abkürzung über das besagte Feld nehmen. Da stellte sich der kleine Hermann in den Weg und rief: ‹Kehrt um, die Strasse ist euer, das Feld ist mein.›

Der Reiter an der Spitze des Zuges hatte einen besonders majestätischen Helm auf […] Er war erstaunt über die Dreistigkeit und den Mut des Jungen. ‹Ihr dürft nicht über das Feld […]›. ‹Ich will es aber […] Ich stosse dich mit dem Speer um […]›. ‹Das ist mir egal, Recht muss Recht bleiben […]›. ‹Was weisst du von Recht, Knabe […]›. ‹Mein Vater ist der Billing und ich werde es nach ihm sein […] vor einem Billing darf das Recht nicht gebeugt werden […]›. ‹Ist das denn Recht, deinem König zu wehren? Ich bin König Otto der Grosse.› ‹Nein, ihr könnt das nicht sein, wenn ihr das Recht beugt, das würde der König nie tun, er ist uns bekannt als ein gerechter König.› ‹[…] führe mich zu deinem Vater […]›

Hermann kam an den Königshof, wurde dort ausgebildet, später zum Ritter geschlagen, begleitete den König auf seinen Reisen und wurde der Erzieher zweier Söhne des Königs. Er wurde Verwalter und Richter der sächsischen Länder und war unbestechlich. – So ist er in die Geschichte eingegangen.»

Die Bibel sagt:

«Wer im Geringsten treu ist, der ist auch im Grossen treu; und wer im Geringsten ungerecht ist, der ist auch im Grossen ungerecht» (Lk 16,10).

«Da sagte sein Herr zu ihm: Recht so, du guter und treuer Knecht! Du bist über wenigem treu gewesen, ich will dich über vieles setzen; geh ein zur Freude deines Herrn!» (Mt 25,21).