Nie stand sie auf der Sonnenseite des Lebens; im Gegenteil, sie blickte zurück auf ein einziges Schattendasein. Nun wollte sie ihrem Leben ausgerechnet am «Heiligen Abend» ein Ende setzen. Die Wohnung hatte sie aufgeräumt, die Tabletten lagen bereit und das Wasser auf dem Herd kochte. Gerade hatte sie die Überdosis in eine grosse Tasse geschüttet und heisses Wasser eingegossen, da klingelte es an der Haustür. Draussen stand eine Gruppe Jugendlicher, die das Lied «O, du fröhliche» sangen. Das hatte ihr gerade noch gefehlt, in ihrer Situation.
Im Anschluss an den Gesang übergaben sie ihr ein Kuvert mit einem kleinen Geldbetrag, einer Weihnachts-CD und dem Gruss «Fröhliche Weihnachten». Dann verabschiedete sich die Gruppe, doch für sie begann der Weg in ein neues Leben.
«Dies ist die Nacht, da mir erschienen
des grossen Gottes Freundlichkeit;
das Kind, dem alle Engel dienen,
bringt Licht in meine Dunkelheit,
und dieses Welt- und Himmelslicht
weicht hunderttausend Sonnen nicht.»
Wo fand diese Frau damals wahre, bleibende Freude, eine Freude, die auch in Zeiten der Traurigkeit hält, weil sie anderer Art ist?
Die Antwort finden wir in einer Bemerkung, die jemand einst machte: «Die wahre Freude ist vom Himmel herabgestiegen.» Und ein anderer hielt treffend fest: «Freude ist nicht die Abwesenheit von Trauer, sondern die Gegenwart Gottes.»
Diese beiden Aussagen beschreiben das Wunder von Weihnachten. Vor gut 2000 Jahren kam Jesus in die Welt, um Freude zu bringen. Menschliche Sünde wie Ungerechtigkeit, Egoismus und Habsucht berauben diese Welt immer wieder ihrer Freude. Doch seit Jesus Christus auf die Erde gekommen ist, lautet die frohe Botschaft, wie der Evangelist Lukas sagt:
«… dass die Vergebung der Schuld ihre Rettung ist. Weil unser Gott voller Barmherzigkeit ist, kommt das Licht des Himmels zu uns. Es wird denen leuchten, die im Finstern sitzen und in Furcht vor dem Tod, und uns wird es leiten, den Weg des Friedens zu gehen» (Lk 1,77–79).
Die Evangelien der Bibel schildern die Geburt Jesu, das erste Weihnachten. Und dabei steht besonders die Freude im Vordergrund. Sie wird viermal erwähnt. Weihnachten ist im wahrsten Sinne das Fest der Freude.
- Das erste Mal kommt die Freude vor, als die mit Jesus schwangere Maria ihre Verwandte Elisabeth besuchte, die auch schwanger war. Als Elisabeth Maria sah, sagte sie:
«Siehe, sowie der Klang deines Grusses in mein Ohr drang, hüpfte das Kind vor Freude in meinem Leib» (Lk 1,44).
Elisabeth hatte lange keine Kinder bekommen können. Das war in der damaligen Zeit im alten Israel besonders tragisch. Viele sahen darin eine Strafe Gottes und schauten deshalb auf Elisabeth herab. Da in jenen Tagen die Kinder für ihre betagten Eltern sorgten, war bis zu ihrer Schwangerschaft die Altersversorgung für Elisabeth nicht gesichert. Darunter hatte sie sicherlich gelitten, sie war sich wertlos vorgekommen, einsam, verachtet und perspektivlos.
Doch plötzlich wurde alles anders. Elisabeth empfing einen Sohn, und dieser sollte der Wegbereiter Jesu werden. In Verbindung mit Jesus war mit einem Mal alles mit Leben, Freude und Sinn erfüllt.
Denken Sie vielleicht: «Was ist mit meinem Leben schon los? Was hat es gebracht? Mein Zustand ist nicht der beste. Ich habe nichts in diese Welt hineingebracht, geschweige denn, dass ich etwas Grossartiges hinterlassen werde. Ich bin wertlos und unbrauchbar, und darum bin ich traurig.»
Lassen Sie es doch zur Begegnung mit Jesus kommen! Alles könnte anders werden.
- Das zweite Mal sehen wir die Freude in der Weihnachtsgeschichte bei Maria selbst, der Mutter Jesu. Als sie durch ein Wunder Gottes schwanger wurde, sagte sie:
«Meine Seele erhebt den Herrn, und mein Geist freut sich über Gott, meinen Retter» (Lk 1,46–47).
Maria kam aus dem verrufenen und unbedeutenden Ort Nazareth. Sie stammte aus ärmlichen Verhältnissen und war noch sehr jung. Sie heiratete in eine Handwerkerfamilie ein und stellte nichts Besonderes dar. Ihr Name bedeutet «Bitterkeit» oder «Betrübnis». Doch durch Jesus wurde ihr Leben auf den Kopf gestellt und bekam neuen Schwung. In sie wurde der Sohn Gottes vom Heiligen Geist hineingezeugt, wie die Evangelien berichten. Die «Betrübnis» wandelte sich in überströmende Freude.
Bethlehem, wo Jesus geboren werden sollte, und Nazareth wurden später von Millionen von Pilgern besucht. Heute gehören sie zu den bekanntesten Orten dieser Welt. Und Maria selbst wurde die wahrscheinlich bedeutendste Frau der Weltgeschichte.
Sind Sie ein unbedeutender Mensch? Gehören Sie zu den Verunsicherten und Betrübten? – Gott will auch Ihr Leben auf den Kopf stellen und geistlich gesehen Jesus in Sie hineinlegen. Lassen Sie es zu, denn Gott hat auch mit Ihnen etwas vor.
- Die dritte Freude der Weihnachtsgeschichte begegnet uns bei den Hirten, auf den Feldern Bethlehems. Lukas berichtet:
«Und siehe, ein Engel des Herrn trat zu ihnen, und die Herrlichkeit des Herrn umleuchtete sie; und sie fürchteten sich sehr. Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Denn siehe, ich verkündige euch grosse Freude, die dem ganzen Volk widerfahren soll. Denn euch ist heute in der Stadt Davids der Retter geboren, welcher ist Christus, der Herr» (Lk 2,9–11).
Hirten waren damals nicht gut angesehen und hatten kaum Rechte. Sie besassen oft keinen Wohnsitz. Die meisten konnten weder lesen noch schreiben. Sie wurden mit Räubern und Betrügern auf eine Stufe gestellt. Im frommen Israel war es verboten, etwas von ihnen zu kaufen, da es gestohlen sein konnte. Aus diesen Gründen wurden sie bei Gericht auch nicht als Zeugen zugelassen. Sie mussten auf die Schafe anderer aufpassen, besassen selbst kein Eigentum. Vorwiegend handelte es sich um ungepflegte, raue Menschen.
Doch der Beruf des Hirten erforderte auch viel Verantwortung und Pflichtbewusstsein. Tag und Nacht waren sie gefordert. Zudem war ihre Tätigkeit nicht ungefährlich. Sie mussten die Herde gegen wilde Tiere und Räuber schützen.
Heute stehen die Hirten in hohem Ruf und Ehre. Hirtenfiguren fehlen in keiner Weihnachtsdarstellung.
Auch Sie, liebe Hörer, sind berufen, ein Zeuge grosser Freude zu werden. Vielleicht sind Sie rau und ungesellig. Sie sind fleissig und pflichtbewusst, aber keine hochstehende Persönlichkeit. Sie putzen die Räume anderer, bauen die Häuser anderer, waschen die Wäsche anderer. Sie pflegen den Garten anderer, bringen den Müll anderer weg. Hochstehende soziale Kontakte haben Sie nicht. – Dann befinden Sie sich mit den Hirten in guter Gesellschaft und die Botschaft der Engel Gottes gilt auch Ihnen.
- Schliesslich kommt die Freude in Bezug auf die Geburt Jesu noch zum vierten Mal vor, und zwar bei den Weisen aus dem Morgenland. Der Evangelist Matthäus schreibt:
«Als sie nun den Stern sahen, wurden sie sehr hocherfreut; und sie gingen in das Haus hinein und fanden das Kind samt Maria, seiner Mutter. Da fielen sie nieder und beteten es an; und sie öffneten ihre Schatzkästchen und brachten ihm Gaben: Gold, Weihrauch und Myrrhe» (Mt 2,10–11).
Die Weisen besassen im Gegensatz zu den Hirten Geld, Besitztümer, Wissen und Ansehen, aber ihnen fehlte das Wesentliche: die Begegnung mit Jesus Christus, dem Heiland Gottes. Insofern hatten sie in Wirklichkeit auch nicht mehr als die Hirten.
Nach ihrer persönlichen Begegnung mit Jesus wurden die Weisen zu Hoffnungsträgern. So wie sie haben im Laufe der Jahrhunderte unzählige Menschen zur Erlösung und durchdringenden Freude gefunden.
Gott möchte mehr geben als Status, Anerkennung und Wohlstand. Er möchte uns den Schatz der Freude öffnen. Er will uns aus unserem Alltagstrott herausholen und mit sinnerfüllter Freude beschenken. Vergnügen ist käuflich, aber Freude aus Gott kann uns nur geschenkt werden; und Geschenke sollte man annehmen.
Diese vier Beispiele zeigen uns, dass Jesus für alle in die Welt gekommen ist und niemand ausgeklammert wird:
– Er kam für die Perspektivlosen wie Elisabeth,
– für die in unserer Welt Bedeutungslosen wie Maria,
– für die sich wertlos Fühlenden und Unangesehenen wie die Hirten
– und für die Intellektuellen und Angesehenen wie die Weisen.
Alle erfüllte die Freude, als sie Jesus in ihrem Leben Raum gaben.
Eine Palliativ-Pflegerin sagte einmal, dass viele Menschen am Ende ihres Lebens bereuten, sich nicht erlaubt zu haben, glücklich zu sein. Jesus ist die personifizierte Freude; erlauben Sie Ihm, Ihr Leben zu füllen.
Wenn Sie wollen, sprechen Sie doch das nachfolgende Gebet nach: «Herr Jesus Christus, ich leide unter meiner Perspektiv- und Hoffnungslosigkeit und fühle mich bedeutungslos. Schuld drückt mich und bei allem Schein leide ich unter meiner inneren Einsamkeit. Du kamst in die Welt, komm auch in mein Leben – Amen!»