Gibt es heute noch Zeichen der Zeit? (Teil 1)

Das Ende ist nahe. Wirklich? Woran können wir das erkennen? Können wir es überhaupt erkennen? Es gibt zwei Extreme und einen richtigen Weg. Eine Erklärung.

Ein Zeichen der Zeit ist ein Ereignis von prophetischer Bedeutung, das auf die Endzeit hindeutet. In gewisser Hinsicht sind die auf den Seiten der Schrift zu findenden Zeichen der Zeit Gottes «Vorankündigung», wie die Welt in der Endzeit aussehen wird. Die Schrift gibt eine ganze Reihe von Zeichen an (z.B. Mt 24–25; 1.Tim 4,1–2; 2.Tim 4,3–4).

Dies ist stets ein bevorzugtes Gesprächsthema auf den Prophetiekonferenzen, zu denen ich als Redner eingeladen bin. Wenn ich mich auf Konferenzen mit Menschen unterhalte, tauchen oft zwei extreme Sichtweisen auf. Manche Leute betrachten nahezu alles, was in der Welt vor sich geht, als ein Zeichen der Zeit. Andere hingegen übersehen die Bedeutung der Zeichen der Zeit. Besser ist es, ein Gleichgewicht zu finden.

Wer nahezu überall Zeichen der Zeit sieht, ist oftmals sensationalistisch. Keine Frage, das zweite Kommen Jesu Christi wird sensationell sein. Aber das ist etwas anderes als eine sensationalistische Haltung, während wir darauf warten, dass die Endzeit näher rückt.

Einige dieser Leute scheinen sich unablässig damit zu beschäftigen, wer um alles in der Welt der Antichrist sein könnte (US-Präsidenten sind beliebte Kandidaten). Jedes Mal, wenn ein grosses Erdbeben oder ein Tsunami oder eine andere Naturkatastrophe auftritt, gehen sie gleich davon aus, dass dies das Ende ankündigt. Sie mutmassen, dass Radioprediger, die ein bestimmtes Datum für die Entrückung errechnen, richtig liegen könnten.

Der Prophetieexperte Mark Hitchcock gibt uns folgende hilfreiche Warnung: «Das Problem ist, wenn alles zu einem Zeichen wird, dann ist nichts ein Zeichen.» Die Leute können so vieles in der Welt als Zeichen einstufen, dass die echten Zeichen ihre Bedeutung verlieren.

Wir sollten stets vorsichtig sein, nicht der Zeitungsexegese zum Opfer zu fallen. In seinem hilfreichen Buch The Footsteps of the Messiah (Die Fussspuren des Messias) merkte Prophetieexperte Arnold Fruchtenbaum an: «Aktuelle Ereignisse dürfen nie das Mittel zur Auslegung der Schrift sein, die Schrift muss vielmehr die aktuellen Ereignisse auslegen.» Es stimmt, «wenn wir über die Zeichen der Zeit nachdenken, müssen wir sichergehen, dass wir die aktuellen Ereignisse im Licht der Bibel betrachten und nicht anders herum».

Wenn wir sagen, dass die Schrift die aktuellen Ereignisse beurteilen muss, meinen wir, dass wir zuerst die Schrift studieren müssen, um herauszufinden, was Gott über die Zukunft geoffenbart hat. Um die Zeiten richtig zu erkennen – was Christus eindeutig von uns erwartet (Mt 16,1–3; Lk 21,29–33) –, müssen wir die aktuellen Ereignisse mit der Bibel vergleichen, um feststellen zu können, ob ein berechtigter Zusammenhang besteht. Wenn wir zu dem Schluss kommen, dass dies der Fall ist, können wir uns darüber freuen, dass Gott die Menschheitsgeschichte unter seiner souveränen Kontrolle hat, und gleichzeitig der Versuchung widerstehen, feste Daten zu errechnen, weil wir wissen, dass Gott so etwas verbietet (Apg 1,7). Wir vermeiden Sensationsmache, weil Christus Seine Nachfolger aufruft, nüchtern und wachsam zu sein, während wir auf Sein zweites Kommen warten (Mk 13,32–37).

Ein anderes Extrem ist, wenn sich Leute über die Zeichen der Zeit lustig machen. Ein mir bekannter christlicher Autor (der glaubt, die meisten Prophezeiungen im Buch der Offenbarung seien schon erfüllt worden) sagte, es würde ihn krank machen, wenn er sieht, wie einige Christen es schon für ein Zeichen der Zeit halten, wann immer jemand im Nahen Osten rülpst. Er und andere aus seinem Lager scheinen zu denken, dass es nicht nur ungerechtfertigt, sondern sogar töricht sei, den Zeichen der Endzeit Beachtung zu schenken.

Ich bin überzeugt, dass eine solch negative Einstellung eine biblische Kurzsichtigkeit offenbart. Denken Sie an Jesu Worte in Matthäus 16,1–3:

«Und die Pharisäer und Sadduzäer traten herzu, versuchten ihn und verlangten, dass er ihnen ein Zeichen aus dem Himmel zeigen möge. Er aber antwortete und sprach zu ihnen: Am Abend sagt ihr: Es wird schön, denn der Himmel ist rot!, und am Morgen: Heute kommt ein Ungewitter, denn der Himmel ist rot und trübe! Ihr Heuchler, das Aussehen des Himmels versteht ihr zu beurteilen, die Zeichen der Zeit aber nicht!»

Das war eine ziemliche Zurechtweisung für diese religiösen Führer! Diese Leute – die damalige religiöse Elite – hätten wissen sollen, was die Schrift lehrt, aber sie waren völlig unfähig, die Zeiten richtig zu erkennen. Die Pharisäer und Sadduzäer waren von geistlichen Zeichen umgeben, die auf die Person Jesu Christi hindeuteten, und dennoch hatten sie sie alle übersehen. Sie waren blind für die Realität, dass sich der Messias in ihrer Mitte befand. Die Wunder Jesu (Blinde konnten sehen, Taube hören, Lahme gehen …) waren klare Zeichen Seiner göttlichen Identität, so wie dunkle Wolken am Himmel ein Zeichen für Regen sind. Diese Wunder wurden im Alten Testament über den Messias vorhergesagt (Jes 35,5–6), und die Pharisäer und Sadduzäer – Experten im Alten Testament – hätten erkennen müssen, dass Jesus diese messianischen Verse erfüllte. Doch in ihrer Blindheit konnten sie «die Zeichen der Zeit aber nicht» beurteilen. Wenn wir die Zeichen der Endzeit heute ignorieren, sind wir in prophetischer Hinsicht genauso blind wie die Pharisäer und Sadduzäer.

Jesus sagte auch: «Von dem Feigenbaum aber lernt das Gleichnis: Wenn sein Zweig schon saftig wird und Blätter treibt, so erkennt ihr, dass der Sommer nahe ist. Also auch ihr, wenn ihr dies alles seht, so erkennt, dass er nahe vor der Türe ist» (Mt 24,32–33). In diesen Versen weist Jesus darauf hin, dass Gott bestimmte Dinge geoffenbart hat, damit die Menschen, die die Bibel kennen, verstehen, dass sich eine biblische Prophezeiung erfüllt (oder dass die Bühne bereitet ist für die Erfüllung einer Prophezeiung). Somit lehrt Jesus Seine Nachfolger, dass sie die Zeichen gut beobachten sollen, um die Erfüllung von biblischen Prophezeiungen erkennen zu können (s. auch Lk 21,25–28).

Es muss unbedingt darauf hingewiesen werden, dass der Entrückung der Gemeinde keine Zeichen vorausgehen. Die Schrift macht ganz deutlich, dass die Entrückung ein nahe bevorstehendes Ereignis ist. Der Begriff bevorstehend meint wörtlich «bereit, um stattzufinden». In prophetischer Hinsicht muss nichts mehr erfüllt werden, bevor die Entrückung stattfinden kann (s. 1.Kor 1,7; 16,22; Phil 3,20; 4,5; 1.Thess 1,10; Tit 2,13; Hebr 9,28; Jak 5,7–9; 1.Petr 1,13; Jud 21). Die Entrückung ist ein zeichenloses Ereignis, das in jedem Augenblick geschehen kann.

Das steht in klarem Gegensatz zum zweiten Kommen Christi, dem in der 7-jährigen Drangsalszeit viele Ereignisse vorangehen werden (s. Offb 4–18).

Die Zeichen, die wir heute in der Welt sehen, greifen den Ereignissen vor, die in der Erwartung der Rückkehr Jesu nach der Entrückung geschehen. Die endzeitlichen Prophezeiungen der Bibel beziehen sich auf die 7-jährige Drangsalszeit und kündigen das zweite Kommen Christi und Seine anschliessende Herrschaft an. Aber kein Zeichen weist auf die Entrückung hin. Die Zeichen sind für die Rückkehr Christi, nicht für die Entrückung der Gemeinde.

Bedeutet das, dass die Zeichen der Zeit für uns, die wir vor dem Augenblick der Entrückung leben, irrelevant sind? Keineswegs! Wir sehen zurzeit viele Ereignisse in der Welt, die eindeutig die Bühne bereiten für Prophezeiungen, die in der noch zukünftigen Drangsalszeit erfüllt werden. Hier ist mein Argument: Alles, was jetzt die Bühne für die herannahende Drangsalszeit bereitet, zeigt an, dass die Entrückung immer näher kommt.

Dr. John F. Walvoord, einer meiner ehemaligen Mentoren am Dallas Theological Seminary, liefert eine nützliche Illustration, die uns hilft, das zu verstehen. Walvoord verglich die Entrückung mit Thanksgiving und das zweite Kommen Christi mit Weihnachten. Es gibt alle möglichen Zeichen, dass Weihnachten näher rückt – Werbung im Fernsehen, Radio, in der Zeitung, Krippenspiele, Weihnachtsbeleuchtung und festliche Dekoration … die Zeichen sind überall. Aber Thanksgiving kann sich an uns heranschleichen. Wir finden keine ersichtlichen Zeichen, dass Thanksgiving naht. Aber eines ist sicher. Wenn Thanksgiving noch nicht stattgefunden hat, Weihnachten aber schon deutliche Zeichen vorauswirft, wissen wir automatisch, dass Thanksgiving umso näher ist. Das gilt auch in unserem Fall: Wenn wir heute sehen, wie die Bühne für Ereignisse bereitet wird, die in der Erwartung des zweiten Kommens Christi in der Drangsalszeit geschehen werden, wissen wir, dass die Entrückung noch viel näher ist.

Ron Rhodes ist Präsident des Missionswerkes Reasoning from the Scriptures Ministries, ein regelmässiger Redner im landesweiten Radio und Autor. Er lehrt am Dallas Theological Seminary und mehreren anderen Seminaren.
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