Warum wir Jesus Christus noch heute erwarten

Wer immer die «Erscheinung Jesu lieb gewonnen hat» (vgl. 2.Tim 4,8), wird über Sein Kommen – auch wenn es heute wäre – hoch beglückt sein. Alle anderen aber wird der Augenblick der Entrückung völlig unvorbereitet treffen.

Zum besseren Verständnis ein ganz profanes Beispiel: Paul Haley war sechs Jahre alt und hatte Krebs. Sein innigster Wunsch war, den Präsidenten der USA einmal zu sehen. Als Präsident Eisenhower einmal in Denver war und diese Information erhielt, sagte er zu. Die Präsidentenlimousine hielt vor dem Haus des Jungen, die Leibgarde und der Präsident stiegen aus und klopften an. Der Vater kam heraus, in abgewetzten Hosen, einem verwaschenen T-Shirt und unrasiert, erkundigte sich nach dem Wunsch der Herren und war perplex. Sein Junge aber freute sich. Der Präsident nahm ihn in seine Arme, zeigte ihm sein Auto und dann war der Besuch vorbei. In der ganzen Gegend sprach man noch Jahre danach von diesem Ereignis. Beim Vater jedoch wollte sich keine rechte Begeisterung einstellen: «Dass ich damals den Präsidenten in so schäbigen Kleidern und unrasiert empfangen habe, nein, das kann ich mir nicht verzeihen. Wenn sie wenigstens gesagt hätten, dass sie kommen …»

Wie viele Christen gleichen doch diesem Vater

Er wurde vom Besuch des Präsidenten völlig überrascht: Er war unrasiert und befand sich in einer sehr unpassenden Aufmachung. So wären auch viele Christen nicht bereit, wenn Jesus heute wiederkäme, da sie Ihn weder erwarten noch mit Seiner unangemeldeten Rückkehr rechnen. Dabei war diese Hoffnung immer ein Kennzeichen der brennenden Gemeinde Jesu, ja mit ein Grund für die vielen Missionsbemühungen im Laufe der letzten Jahrhunderte: Deshalb gingen die mährischen Brüder unter Zinzendorf in die Mission, Carey nach Indien, Moffat und Livingstone nach Afrika, Judson nach Burma, Paton auf die Neuen Hebriden, Duff, Henry Martin und Stanley Jones nach Indien. Sie standen in der Erwartung der Wiederkunft Jesu zur Entrückung Seiner Gemeinde. Leider ist diese Hoffnung heute bei so manchen erloschen – erstickt durch Wohlstand und Überfluss. Dabei hat der Apostel Paulus den Gläubigen in Korinth geschrieben: «Siehe, ich sage euch ein Geheimnis: Wir werden nicht alle entschlafen, wir werden aber alle verwandelt werden, plötzlich, in einem Augenblick, zur Zeit der letzten Posaune; denn die Posaune wird erschallen, und die Toten werden auferstehen unverweslich, und wir werden verwandelt werden. Denn dieses Verwesliche muss anziehen Unverweslichkeit, und dieses Sterbliche muss anziehen Unsterblichkeit. Wenn aber dieses Verwesliche Unverweslichkeit anziehen und dieses Sterbliche Unsterblichkeit anziehen wird, dann wird das Wort erfüllt werden, das geschrieben steht: ‹Der Tod ist verschlungen in Sieg! Tod, wo ist dein Stachel? Totenreich, wo ist dein Sieg?› Aber der Stachel des Todes ist die Sünde, die Kraft der Sünde aber ist das Gesetz. Gott aber sei Dank, der uns den Sieg gibt durch unsern Herrn Jesus Christus! Darum, meine geliebten Brüder, seid fest, unbeweglich, nehmet immer zu in dem Werke des Herrn, weil ihr wisset, dass eure Arbeit nicht vergeblich ist in dem Herrn!» (1.Kor 15,51-58). – Sind wir Wartende?

Die Urgemeinde …

… war eine wartende, erhoffende, auf die Wiederkunft Jesu ausschauende Gemeinde. Als Jesus auf einmal in den Wolken gen Himmel fuhr, standen die Jünger wie angewurzelt fest und konnten es nicht fassen. Hatten sie nicht die sofortige Aufrichtung des Reiches Gottes erwartet? Und nun dies! So warteten sie gespannt darauf, was nun geschehen würde. Während sie immer noch abwartend zum Himmel aufblickten, standen plötzlich zwei Engel bei ihnen und wiesen sie an, die Wiederkunft Jesu zu erwarten: «Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und seht zum Himmel? Dieser Jesus, der von euch weg in den Himmel aufgenommen wurde, wird so wiederkommen, wie ihr ihn habt gen Himmel fahren sehen» (Apg 1,11).

Petrus …

… rechnete fest mit dem Wiederkommen Jesu. So predigte er in Jerusalem den umherstehenden Menschen Folgendes: «So tut nun Busse und bekehrt euch, dass eure Sünden getilgt werden, damit die Zeit der Erquickung komme von dem Angesicht des Herrn und er den sende, der euch zuvor zum Christus bestimmt ist: Jesus!» (Apg 3,19-20).

Paulus …

… war von der baldigen Wiederkunft Jesu überzeugt, deshalb verkündigte er diesen wichtigen Aspekt des christlichen Glaubens. Der Gemeinde von Thessalonich schreibt er: «Denn von euch ist das Wort des Herrn (wie ein Posaunenhall) ausgegangen, und nicht nur in Mazedonien und Achaja, sondern überall ist euer Glaube an Gott bekannt geworden. Darum brauchen wir auch (zu andern) nicht weiter darüber zu reden. Denn alle (die von euch sprechen) erzählen aus freien Stücken, welche (gastliche) Aufnahme wir bei euch gefunden, und wie ihr euch von den Abgöttern zu Gott bekehrt habt, um ihm, dem lebendigen, wahren Gott, zu dienen und seinen Sohn, den er von den Toten auferweckt hat, vom Himmel zu erwarten – Jesus, der uns vor dem kommenden Zorngericht bewahrt» (1.Thess 1,8-10). Paulus befand sich nur eine sehr kurze Zeit in Thessalonich. Trotzdem rechneten die dortigen Gläubigen mit der jederzeit stattfindenden Entrückung. Ja, sie hatten eine derartige Naherwartung der Wiederkunft Jesu, dass Paulus ihnen schreibt: «Denn er selbst, der Herr, wird, wenn der Befehl ertönt, wenn die Stimme des Erzengels und die Posaune Gottes erschallen, herabkommen vom Himmel, und zuerst werden die Toten, die in Christus gestorben sind, auferstehen. Danach werden wir, die wir leben und übrig bleiben, zugleich mit ihnen entrückt werden auf den Wolken in die Luft, dem Herrn entgegen; und so werden wir bei dem Herrn sein allezeit. So tröstet euch mit diesen Worten untereinander» (1.Thess 4,16-18). Dabei erachtete es Paulus nicht als notwendig, über die genaue Zeit und den Zeitpunkt der Entrückung zu debattieren: «Von den Zeiten und Stunden aber, liebe Brüder, ist es nicht nötig, euch zu schreiben» (1.Thess 5,1). Warum? Weil sie jederzeit mit diesem Ereignis rechneten! Dementsprechend waren sie stets bereit. Dies war jedoch kein Einzelfall, vielmehr verkündigte es Paulus auch den anderen Gemeinden. Den Christen in Galatien (heutige Südtürkei) schreibt er: «Denn wir erwarten durch den Geist aus Glauben die Hoffnung der Gerechtigkeit» (Gal 5,5). Auch die Gemeinde in Philippi lässt er wissen: «… unser Bürgertum ist in den Himmeln, von woher wir auch den Herrn Jesus Christus als Heiland erwarten» (Phil 3,20). Den Thessalonicher-Christen sagt er: «Wie ihr euch von den Abgöttern zu Gott bekehrt habt, um dem lebendigen und wahren Gott zu dienen und seinen Sohn vom Himmel zu erwarten, welchen er von den Toten auferweckt hat, Jesus, der uns vor dem zukünftigen Zorn errettet» (1.Thess 1,9-10). Seinem Freund Titus schreibt er: «… indem wir die glückselige Hoffnung und Erscheinung der Herrlichkeit unseres grossen Gottes und Heilandes Jesus Christus erwarten» (Tit 2,13). Und als krönenden Abschluss schreibt Paulus den Thessalonichern: «Ich will euch aber, Brüder, nicht in Unwissenheit lassen über die Entschlafenen, damit ihr nicht traurig seid wie die anderen, die keine Hoffnung haben. Denn wenn wir glauben, dass Jesus gestorben und auferstanden ist, so wird Gott auch die Entschlafenen durch Jesus mit ihm führen. Denn das sagen wir euch in einem Wort des Herrn: Wir, die wir leben und bis zur Wiederkunft des Herrn übrig bleiben, werden den Entschlafenen nicht zuvorkommen; denn der Herr selbst wird, wenn der Befehl ergeht und die Stimme des Erzengels und die Posaune Gottes erschallt, vom Himmel herabkommen, und die Toten in Christus werden zuerst auferstehen. Danach werden wir, die wir leben und übrig bleiben, zusammen mit ihnen entrückt werden in Wolken, zur Begegnung mit dem Herrn, in die Luft, und so werden wir bei dem Herrn sein allezeit. So tröstet nun einander mit diesen Worten!» (1.Thess 4,13-18). Paulus war zutiefst von der jederzeit möglichen Entrückung überzeugt. Dementsprechend predigte er, lebte diesen Glauben vor und sein Dienst war von göttlichem Segen geprägt.

Sind wir noch Wartende?

Oder gleichen wir den Knechten, von denen der Herr Jesus warnend sagt: «Wer ist denn der treue und kluge Verwalter, den der Herr über seine Leute setzt, damit er ihnen zur rechten Zeit gibt, was ihnen zusteht? Selig ist der Knecht, den sein Herr, wenn er kommt, das tun sieht. Wahrlich, ich sage euch: Er wird ihn über alle seine Güter setzen. Wenn aber jener Knecht in seinem Herzen sagt: Mein Herr kommt noch lange nicht, und fängt an, die Knechte und Mägde zu schlagen, auch zu essen und zu trinken und sich voll zu saufen, dann wird der Herr dieses Knechtes kommen an einem Tage, an dem er’s nicht erwartet, und zu einer Stunde, die er nicht kennt, und wird ihn in Stücke hauen lassen und wird ihm sein Teil geben bei den Ungläubigen» (Lk 12,42-46). Petrus verstand weder dieses noch das vorherige Gleichnis, was Jesus ihm damit sagen wollte. Deshalb fragte er Ihn: «Herr, sagst du dies Gleichnis zu uns oder auch zu allen?» (V 41). Aus dem Textzusammenhang geht hervor, dass Jesus Seine Jünger zuerst «vor dem Sauerteig der Pharisäer» warnte (vgl. Lk 12,1). Nachher sprach Er vom notwendigen Bereitsein im Blick auf Sein Wiederkommen: «Seid auch ihr bereit! Denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, da ihr’s nicht meint» (V 40). Echte Gläubige zeichnen sich immer durch Naherwartung aus. Namenschristen sagen sich, wie die Schriftgelehrten und Pharisäer, von Jesus als «böse Knechte» bezeichnet: «Mein Herr kommt noch lange nicht …» Dementsprechend laden sie den Menschen Lasten auf, ja sie schlagen die ihnen anvertraute Herde: «… und fängt an, seine Mitknechte zu schlagen, isst und trinkt mit den Betrunkenen» (Mt 24,48). Wie es damals war, so ist es auch heute: Die fehlende Naherwartung Jesu lässt den Blick vom Ziel abirren und muss durch etwas anderes ersetzt bzw. ausgefüllt werden. Dieses andere heisst Gesetzlichkeit (die aufgebürdeten Lasten) und Weltlichkeit (Essen und Trinken). Zu welcher Kategorie von Christen zählen wir uns?

Echte Gläubige sind immer Wartende

Zu diesen gehörte zum Beispiel Simeon: «… es war ein Mensch zu Jerusalem, namens Simeon; und dieser Mensch war gerecht und gottesfürchtig und wartete auf den Trost Israels; und Heiliger Geist war auf ihm. Und er hatte vom Heiligen Geist die Zusage empfangen, dass er den Tod nicht sehen werde, bevor er den Gesalbten des Herrn gesehen. Und er kam auf Antrieb des Geistes in den Tempel. Und als die Eltern das Kindlein Jesus hineinbrachten, um mit ihm zu verfahren nach der Sitte des Gesetzes, da nahm er es auf seine Arme, lobte Gott und sprach: Nun, Herr, entlässest du deinen Diener in Frieden nach deinem Wort» (Lk 2,25-29). Er wartete, und zwar auf den Trost Israels, den Messias. Diese Hoffnung prägte sein Leben. Dementsprechend lebte er gerecht, gottesfürchtig und hatte das Zeugnis des Heiligen Geistes.
Auch Hanna war eine Wartende: «… es war eine Prophetin, Hanna, eine Tochter Phanuëls, aus dem Stamm Asser; die war hochbetagt. Sie hatte sieben Jahre mit ihrem Mann gelebt, nachdem sie geheiratet hatte, und war nun eine Witwe an die vierundachtzig Jahre; die wich nicht vom Tempel und diente Gott mit Fasten und Beten Tag und Nacht. Die trat auch hinzu zu derselben Stunde und pries Gott und redete von ihm zu allen, die auf die Erlösung Jerusalems warteten» (Lk 2,36-38). Die Naherwartung Jesu bestimmte auch ihr Leben. Trotz vielem Leid und persönlich erfahrender Not war sie deswegen weder verbittert noch hart geworden. Vielmehr wich sie nicht vom Tempel, diente Gott mit Fasten und Beten und wartete täglich auf die Ankunft Jesu Christi.

Sind wir Wartende, die jeden Augenblick mit der Entrückung rechnen?

Als Wartender lebte Paulus in der Heiligung (1.Thess 4,3) und schrieb seinem Glaubensbruder Titus: «Denn es ist erschienen die heilsame Gnade Gottes allen Menschen und nimmt uns in Zucht, dass wir absagen dem ungöttlichen Wesen und den weltlichen Begierden und besonnen, gerecht und fromm in dieser Welt leben und warten auf die selige Hoffnung und Erscheinung der Herrlichkeit des grossen Gottes und unseres Heilands Jesus Christus!» (Tit 2,11-13). In dieser Bibelstelle werden uns Christen gleichsam folgende drei Befehle erteilt:

  1. Sage dem ungöttlichen Wesen und den weltlichen Begierden ab!
  2. Lebe besonnen, gerecht und fromm in dieser Welt!
  3. Und warte auf die selige Hoffnung und Erscheinung Jesu Christi!

Warten wir noch? Wenn ja, dann dürfen wir mit Offenbarung 22,17 im Heiligen Geist frohen Herzens sprechen: «Komm! Und wer es hört, der spreche: Komm! Und wen dürstet, der komme; und wer da will, der nehme das Wasser des Lebens umsonst.»

Samuel Rindlisbacher ist Mitarbeiter und Verkündiger des Mitternachtsruf. Seine theologische Ausbildung absolvierte er in Südamerika. Er war massgeblich am Aufbau der grossen Jugendarbeit der Gemeinde Mitternachtsruf beteiligt.
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